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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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während Gott sich ins Fäustchen lachte. Wie es wohl war, aus einem Ort in der Mitte des Kontinents zu kommen, am Ende der Welt, und sich zu wünschen, man wäre irgendwo. Elsie, die im Zug aus dem Bahnhof von Winnipeg fuhr und am Horizont verschwand, wahrscheinlich froh, ihr einstündiges Treffen mit Herbert hinter sich gebracht zu haben, und vielleicht ein Liebessonett rezitierend, an niemand (oder vielleicht doch jemand) speziellen gerichtet. All das ist Teil von Marshalls Erziehung.
    Der Marshall, den wir 1937 in St. Louis sehen, war ein dünner Kerl, der älter wirkte, als er war, von nichts anderem als Religionund Literatur redete, nicht zuhören konnte und einen wahrscheinlich nicht länger beachtete, sobald er festgestellt hatte, dass man kein bombastischer Redner war – ein Charakterzug, den Marshall unwiderstehlich fand, und der ihn womöglich dazu bringen konnte, innezuhalten und jemand anderem zuzuhören. Und das war der Guru, dessen Denken unsere Sicht auf das Universum revolutionierte?
    Dann lesen wir einen Brief, den Marshall an seinen Bruder Maurice geschrieben hat, über sein Leben zu jener Zeit, und plötzlich entdecken wir in dem muffeligen Kauz einen glühenden Kern …

    Was ich jetzt bin, bleibe ich mehr oder weniger für den Rest meines Lebens, und es ruft eine seltsame Hoffnungslosigkeit in mir hervor, wenn ich daran denke, dass all die großen Träume von den Möglichkeiten und Talenten, die ich damals hätte haben sollen, um die Menschen zu blenden und vielleicht auch den ›Himmel mit den erstaunlichsten Worten zu blenden‹, nichts als trügerische Leere sind. Ich empfinde keine Zuneigung für die Welt. Ich bin mir nicht sicher, ob meine derzeitige Gleichgültigkeit gegenüber ihren Zielen und Freuden wirklich der Liebe zu Gotte entspringt oder nur der Verzweiflung über mich selbst. Zumindest kann ich sagen, dass meine Unzufriedenheit so tief sitzt, dass ich mir keine historische Persönlichkeit oder sonst irgendjemanden vorstellen könnte, der ich lieber wäre (Heilige ausgenommen, denn die haben nicht versucht, etwas aus dem Leben zu ziehen).

    … und spüren, dass er jetzt der war, der er werden sollte. Aus Marshall war McLuhan geworden.

Das Trivium
    Das
Trivium
(»drei Wege«) umfasste die drei sprachlichen Fächer, die zusammen mit den mathematischen Fächern des
Quadriviums
(Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) das Grundstudium an den Universitäten des Hohen Mittelalters bildeten.

    Grammatik bedeutet geschriebene Texte jeglicher Art, sakrale wie profane, und darüber hinaus (was besonders wichtig für Marshall war) die
Welt
und das
gesamte Universum
, die als ein Buch angesehen wurden. Es ist die Lehre von einer Sprache, die Kunst, Symbole zu erfinden und sie zu Gedanken zu verbinden.

    Dialektik (oder Logik) ist die Lehre vom Denken und der Analyse, die Kunst des Denkens – Philosophie.

    Rhetorik ist die Kunst der Beredsamkeit, ihre Aufgabe ist es, jemanden zu etwas zu bewegen oder von etwas zu überzeugen. Es ist die Kunst, die Sprache den Umständen anzupassen. In der Rhetorik geht es darum, wie etwas kommuniziert wird.

St. Louis, Missouri
    In St. Louis arbeitete Marshall an seiner Doktorarbeit über das Werk von Thomas Nashe, einem unbekannten englischen Autor aus dem 16. Jahrhundert, mit der er in Cambridge promovieren wollte. Die Vorstellung, dass Marshall der wurde, der er war, indem er sich mit einem englischen Satiriker, Rhetoriker und Kritiker aus dem 16. Jahrhundert beschäftigte, ist ähnlich verrückt, als hätte er sich mit den Osterriten im mittelalterlichen Frankreich befasst und wäre danach Raketentechniker geworden.
    Sein Unterrichtspensum war enorm, aber er konnte froh sein, im Amerika der Weltwirtschaftskrise überhaupt einen Job zu haben, außerdem zwang ihn die Bandbreite der Themen, ständig Neues zu lesen und extrem schnell zu verarbeiten, häufig direkt vor dem Unterricht. Das war Gehirnakrobatik erster Klasse – den Dendriten und Axonen seines so gut wie fertig vernetzten Gehirns wurden massenweise Gedanken hingeworfen, die dazu beitrugen, es mit einer Höchstzahl von infraneuralen Verbindungen auszustatten. Wäre er bei den Ingenieuren an der University of Manitoba geblieben, hätte sein Gehirn ganz anders ausgesehen. Deswegen brauchen wir gute Schulen und müssen unsere Kinder mit geistiger Nahrung versorgen. Marshall wusste das.
    An der St. Louis University fand Marshall heraus, dass er Publikum mochte und dass das Publikum ihn mochte.

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