Marshall McLuhan
Seine Kurse waren voll und oft von Gasthörern besucht, die seine unverkennbare Fähigkeit bewunderten, mit elf Gedanken gleichzeitig zu jonglieren. Jegliche Zweifel an seiner Zukunft als Lehrer waren bald aus dem Weg geräumt. Wie schon immer übertrieb Marshall es auch hier mit der Recherche auf seinem Forschungsgebiet. Neben der für den Unterricht notwendigen Lektüre las er Bücher über die Sprache, Gedankenwelt und Literatur des Shakespeareschen Englands, die ihm WilliamMcCabe empfahl, um Nashe besser verstehen zu können. In Marshalls Kopf muss es ausgesehen haben wie bei einem Feuerwerk.
Er studierte die Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance und sprach mit vielen verschiedenen Menschen immer wieder über Gott. Er begann darüber nachzudenken, wie der Körper Informationen aufnimmt und wie das Gehirn Wörter und Geräusche erkennt und interpretiert. Er schrieb Artikel, in denen er gottlose Autoritätsformen wie Marxismus, Kapitalismus, den modernen Staat und die Werbung angriff.
Während sein Kopf vor lauter Arbeit rauchte, begann auch er selbst ein wenig aufzutauen und ein kleines bisschen weniger hochnäsig und dafür ein bisschen freundlicher zu werden. Ein gutes Jahr lang freute er sich des Lebens, und doch war diese Freude mit einem Anflug von Tristesse verbunden, denn er erlebte sie allein. Es war an der Zeit, die künftige Mrs. McLuhan kennenzulernen.
An dieser Stelle kommt Elsie ins Spiel, die 1938 in Kalifornien am Pasadena Playhouse studierte, ganz in der Nähe der Huntington-Bibliothek in San Marino, wo es wichtiges Material über das Leben von Thomas Nashe gab.
Ein Standpunkt kann zu einem gefährlichen Luxus werden, wenn er Einsicht und Verständnis ersetzt.
M. M.
Ein Verwalter in einer bürokratischen Welt ist ein Mann, der sich groß fühlen kann, indem er seine Nichtigkeit in eine Abstraktion überführt. Ein echter Mensch, der mit echten Dingen zu tun hat, flößt ihm Angst ein.
M. M.
Kunst ist alles, womit man durchkommt.
M. M.
Die unmechanische Braut
Es ist die alte Frage nach der Henne und dem Ei. Was war zuerst da: das Playhouse oder die Huntington Library? Egal, der geografische Zufall brachte ihn in unmittelbare Nähe zu Elsie, die in guter Verfassung war. Sie war beschäftigt, hatte Leute um sich und keinerlei Ambitionen, auf Herbert herumzuhacken. Außerdem hatte sie das richtige Mädchen für Marshall gefunden. Sie hieß Corinne Keller Lewis, war Absolventin der Texas Christian University und ein Jahr jünger als Marshall. Corinne hatte als Schauspiellehrerin in Fort Worth gearbeitet und war eine aufstrebende Schauspielerin am Pasadena Playhouse. Name und Geld ihrer vornehmen Südstaaten-Familie stammten aus einer Kinderwagen-Manufaktur.
Corinne war eine allseits beliebte Frau, im selben Maße einnehmend und warmherzig wie Marshall selbstvergessen und unterkühlt war. Nachdem Elsie sie einander vorgestellt hatte, durchlebten die beiden einen bilderbuchartigen Schnelldurchlauf aufblühender Liebe in Los Angeles, fuhren nach Santa Catalina und wanderten unter blauem Himmel durch die anliegenden Hügel.
Als es Zeit war, nach St. Louis zurückzukehren, flippte der verliebte Marshall aus, um es mal so zu sagen. Seine Gefühle für Corinne waren etwas anderes als die auf gegenseitigem Einverständnis beruhende Fast-Beziehung zu der Medizinstudentin Marjorie. Marshall und Corinne schrieben sich täglich Briefe (heute wären es E-Mails). Marshalls Briefe waren sehr ernst und hätten (in Corinnes Augen) ein bisschen romantischer sein können. Ihre Familie reichte bis in die Zeit der Plantagen zurück und war nicht gerade froh, als Marshall in das Bild platzte, das sie sich von Corinnes Zukunft gemacht hatten. Marshall war Katholik, unbekannter Abstammung, nicht reich – und leicht seltsam. Zwischen seiner Welt und ihrer gab es keine Überschneidungen. In den Weihnachtsferien 1938 mietete Marshallsich in einem Hotel in Fort Worth ein, um in Corinnes Nähe sein zu können. Seine zukünftige Schwiegermutter gab widerwillig eine kleine Cocktailparty und beließ es dabei. Völlig fertig und mit einem Liebeskummer wie nie zuvor fuhr Marshall zurück nach St. Louis.
Im Juni 1939 besuchte er Corinne in Texas und stellte ihr ein inzwischen legendäres Ultimatum, von dem sie noch häufig sprach: Er wolle im Herbst nach Cambridge fahren, um an seiner Doktorarbeit zu arbeiten, und wenn sie sich nicht sofort bereit erklärte, ihn zu heiraten, sei die Beziehung vorbei.
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