Marter: Thriller (German Edition)
war offensichtlich bei Nacht mit Teleobjektiv entstanden –, aber die Personen darauf waren deutlich zu erkennen.
Piola. Und Kat. Wie sie ihr Apartment betraten, eng umschlungen. Piola hatte ihr das Gesicht zugewandt. Sie lachte.
Um auch ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen, war da noch ein zweites Foto. Es zeigte das Fenster zu ihrer Wohnung. Sie ließ gerade die Jalousien herunter. Aldo war auf diesem Schnappschuss ebenfalls zu sehen, hinter ihr, wie er die Hand nach ihr ausstreckte. Sie trug nur einen Bademantel.
Dann war da noch ein Zettel. Auf einem gewöhnlichen Bogen Papier hatte jemand die folgenden getippten Worte ausgedruckt:
Die haben wir an Ihre Frau geschickt.
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»Vielleicht haben sie es gar nicht wirklich getan«, sagte sie. »Möglicherweise drohen sie dir nur.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich muss nach Hause. Sie hat sie inzwischen bestimmt schon gesehen.« Bedächtig griff er nach seinem Mantel und hängte ihn sich über den Arm.
»Was willst du ihr erzählen?«
»Ich weiß es nicht.« Er wirkte wie benommen.
»Aldo, wir müssen reden.«
»Ja, aber erst muss ich nach Hause zu meiner Frau.«
Wie ein Schlafwandler verließ er den Raum. »Rufst du mich an?«
Er antwortete nicht.
Noch einmal sah sie sich das obere Foto an. Allem Anschein nach war es schon vor einigen Tagen aufgenommen worden, da es Piola zeigte, bevor er verprügelt worden war. Wer auch immer diesen Fotografen beauftragt hatte, musste also von ihnen beiden gewusst haben, und zwar fast von der ersten gemeinsamen Nacht an. Möglicherweise hatte derjenige dieses Wissen sogar genutzt, um den Überfall auf Piola zu planen.
Das Blut gefror ihr in den Adern.
Und jetzt … Sie versuchte, sich das Gespräch auszumalen, das Piola zu Hause führen würde. Doch es gelang ihr nicht. Es war etwas, worin sie keinerlei Erfahrung hatte, da sie nie eine derartige Beziehung gehabt hatte.
Sie fühlte sich wie ein Schulmädchen, das man bei etwas Schrecklichem ertappt hatte, etwas so Schlimmem, dass einen die Erwachsenen einfach allein ließen, um es unter sich zu besprechen.
Die Frau wird mir die Schuld geben , dachte sie. Natürlich wird sie das. Denn letzten Endes ist es ja auch so, ich bin schuld .
Ohne darüber nachzudenken, loggte sie sich bei Carnivia ein. Unter ihrem Namen gab es vierzehn Einträge.
Sie klickte auf den neusten.
Es stimmt also! Der eisige Capitano und Colonnello Superernst haben sich gegenseitig ermittelt! Kann mir gar nicht vorstellen, worüber sie im Bett reden!
»Verdammte Scheiße, so ein Mist!«, fluchte sie angewidert. Sie loggte sich aus und widmete sich irgendwelchem Papierkram, um ihre Gedanken abzulenken.
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Die Nummer auf dem Display sagte ihr nichts. Sie griff nach dem Hörer, da sie erwartete, dass es Aldo war.
»Ist dort Colonnello Piola?«, hörte sie eine männliche Stimme fragen. Der Anrufer klang zweifelsohne sehr besorgt.
»Er ist nicht hier. Mit wem spreche ich?«
»Ich war schon mal bei Ihnen. Lucio, der Fischer, aus Chioggia. Sie erinnern sich?«
»Ja, ich erinnere mich. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Es geht um Riccis Frau, Mareta. Sie liegt im Krankenhaus. Wurde letzte Nacht zusammengeschlagen. Die Ärzte sagen, sie wäre um ein Haar gestorben.«
»Wer hat das getan?«
»Das sagt sie nicht – sie kann nicht, ihr Kiefer ist gebrochen. Die Ärzte gehen davon aus, dass sie nie wieder richtig wird sprechen können.« Der junge Mann klang außer sich. »Sie konnten das nicht für sich behalten, wie? Mussten Sie das unbedingt verbreiten?«
»Ich komme zu Ihnen.«
»Nein! Halten Sie sich bloß von ihr fern! Halten Sie sich von uns allen fern! Warum sollten wir Ihnen helfen? Da könnten wir uns ja gleich selbst die Kugel geben und denen die Mühe ersparen.«
Piola kehrte erst nach drei Stunden zurück. Er wich ihrem Blick aus. Sie folgte ihm in sein Büro.
»Geht es ihr gut?«, fragte sie.
»Natürlich nicht.«
»Und was ist mit dir?«
»Um mich geht es hier nicht.«
»Was habt ihr gesprochen?«
»Das ist … privat«, erwiderte er leise. Sie zuckte zusammen. »Kat, hör zu, ich habe ihr geschworen, dass das zwischen dir und mir zu Ende ist.«
In ihrem Schmerz machte sie dummerweise einen Witz daraus. »Tja, ich wurde ja schon oft sitzen gelassen, aber du gewinnst eindeutig den Hauptpreis, was die Direktheit betrifft.«
» Sitzen gelassen ? Aus deinem Mund klingt das ja fast so, als wären wir Teenager, die miteinander gehen«,
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