Marter: Thriller (German Edition)
im Grunde ganz deiner Meinung, Kat, doch eine heiße Spur ist das noch lange nicht.«
»Mehr haben wir aber nicht.«
»Nein, mehr haben wir in der Tat nicht«, pflichtete er ihr bei. »Nun gut. Zeit, dass wir uns Marcello stellen.«
Das Treffen mit dem Staatsanwalt verlief kurz und knapp. Er war nicht bereit, sich weitere wilde Spekulationen anzuhören, weder Geschichten von Amerikanern, Kroaten, Priestern noch sonst wem. Sie sollten ihre Berichte schreiben und die Ermittlungen einstellen.
»Ich verstehe das nicht, Colonnello«, sagte er in sarkastischem Ton. »Was ist bloß das Problem bei diesem Fall? In dieser Stadt werden doch ständig Morde begangen. Wieso wollen Sie auf diesen speziellen bloß derart viel Zeit verschwenden?« Er legte eine kurze Pause ein, die Augen immer noch starr auf Piola gerichtet. Dann ließ er seinen Blick ganz unvermittelt zu Kat schweifen.
»Irgendetwas ist da an diesem Fall, das Ihr Urteilsvermögen trübt. Deshalb ziehen sich die Ermittlungen unnötig in die Länge, Colonnello«, fuhr er fort. »Ich frage mich nur, woran das liegen könnte.«
Kat gab sich alle Mühe, keinerlei Reaktion zu zeigen. Sie blinzelte nicht und wurde auch nicht rot, während der Staatsanwalt seinen Blick von ihr zu Piola und wieder zurück wandern ließ. Eine Augenbraue hatte er dabei fragend hochgezogen.
Nach einigen Sekunden nickte er, offenbar zufrieden damit, dass er die beiden nun genug geärgert hatte. »Nun gut. In den kommenden Tagen erwarte ich Ihren Abschlussbericht.«
»Der weiß von nichts«, sagte sie, als sie das Büro des Staatsanwalts verließen. »Der will dich doch bloß provozieren.«
»Ich weiß«, entgegnete Piola. »Mach dir keine Sorgen. Ich lass mich nicht so leicht von etwas abbringen.«
Sie gingen zu Fuß zurück zum Campo San Zaccaria. Das ging beinahe genauso schnell, wie wenn sie auf ein Vaporetto gewartet hätten, vorausgesetzt, man machte einen großen Bogen um den Markusplatz, der selbst zu dieser Jahreszeit voller Touristen war.
»Als ich Daniele Barbo einen Besuch abstattete«, gestand sie zögerlich, »da meinte er, er könnte möglicherweise die Daten auf Barbara Holtons Laptop retten. Anscheinend hat er so was schon mal gemacht.«
»Ach, wirklich?«
»Ich hab natürlich Nein gesagt. Aber er versicherte mir, dass sein Angebot auch weiterhin gelte. Mir ist eben eingefallen, dass es ja jetzt etwas ganz Konkretes gibt, wonach er suchen kann – wir könnten ihn doch bitten, herauszufinden, ob Barbara Holton diese Mails tatsächlich gesendet hat oder ob Findlater sie gefälscht hat.«
»Gute Idee, bis auf die Tatsache, dass es absolut verrückt wäre, einem vorbestraften Hacker, der gerade seine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz erwartet, ihren Computer auszuhändigen.«
»Ja, das stimmt schon. Aber es könnte uns weiterbringen …«
»Wir brauchen Beweise, die wir vor Gericht auch benutzen können, Kat. Beweise, die selbst Leute wie Marcello überzeugen. Sonst lässt der uns nie in Ruhe.«
Sie beide waren im Augenblick die einzigen Beamten im Hauptquartier. Kat hatte das Gefühl, als wäre der Fall damit zum Abschluss gebracht.
Ihr Handy klingelte. » Pronto?«
»Kat, hier ist Francesco. Wir haben einen dringenden Fall zu vergeben – eine wirklich große Sache. Ein Politiker hat einen Strichjungen erwürgt, behauptet, es sei ein Unfall gewesen. Es deutet aber einiges darauf hin, dass der fenòcio ihn erpresst hat. Man hat dich vorgeschlagen.«
»Wer leitet die Ermittlungen?«
»Du, wenn du es willst. Dein eigener Fall. Der Staatsanwalt hat ausdrücklich nach dir verlangt.«
»Welcher Staatsanwalt?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort im Grunde längst kannte.
»Avvocato Marcello.«
Durch die Scheibe von Piolas Büro beobachtete sie, wie er einen braunen Umschlag, der auf dem Schreibtisch lag, zur Hand nahm. Er zog den Inhalt heraus und sah ihn sich an. Einen Moment lang war er wie erstarrt. Dann richtete sein Blick sich auf sie.
Sie wusste, dass sie den Ausdruck in seinen Augen niemals würde vergessen können. In ihnen stand etwas weit Schlimmeres als Furcht oder Verzweiflung. »Ich muss auflegen«, sagte sie ins Telefon.
»Aber wir brauchen eine Entscheidung von dir …«
»Sag denen, dass ich gerade nicht kann.« Sie legte auf. »Was ist los?«, rief sie Piola quer durch den Raum zu.
Er antwortete nicht. Daher eilte sie in sein Büro und nahm ihm das Foto aus der Hand. Der Abzug war recht körnig – die Aufnahme
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