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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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nachgehen.«
    Kat verbrachte eine ganze Stunde mit Gezeitentabellen, Wetterberichten und Landkarten von der Lagune, um herauszufinden, an welcher Stelle der Leichnam ins Wasser gelangt sein musste. Als Venezianerin war sie selbstverständlich mit dem Meer und seinen Eigenheiten groß geworden. Doch das acqua alta erschwerte alles ein wenig.
    »Es ist einfach zu vieles unklar«, erklärte sie Piola. »Wir können zwar davon ausgehen, dass unsere Tote aus der Lagune angespült wurde. Aber nicht nur die Gezeiten, auch diverse Strömungen bestimmen darüber, in welche Richtungen das Wasser fließt. Einige von diesen Sandbänken sind jeden Monat woanders zu finden.«
    »Wie lautet also die Lösung?«
    »Ich finde, wir sollten uns mit ein paar von den Fischern unterhalten. Die werden uns sagen können, welcher Punkt am plausibelsten ist, und sie verraten uns sicher auch, ob sie in jener Nacht irgendetwas Verdächtiges beobachtet haben.«
    »Gute Idee. Ich begleite Sie.«
    Die Lagune vor Venedig unterteilt sich in die laguna viva , der Teil, in dem sich die Strömungen der Adria bemerkbar machen, und die laguna morta , die weiter nördlich gelegene innere oder »tote« Lagune, die hauptsächlich Süßwasser enthält und vom Gezeitenwechsel kaum erreicht wird. Nachdem sie zu dem Schluss gekommen waren, dass der Leichnam mit ziemlicher Sicherheit aus der laguna viva angespült worden sein musste, nahmen sie die Fähre zum Hafen Chioggia etwa vierundzwanzig Kilometer südlich von Venedig, wo sie von Boot zu Boot gingen, um die Fischer zu befragen.
    Sie alle waren sich darin einig, dass die Leiche irgendwo innerhalb der langen, schmalen Sandbank des Lidos ins Wasser gelangt sein musste. Wäre es dahinter geschehen, wäre sie hinaus ins Meer gespült worden. Außerdem wurde klar, dass jeder Ortskundige sich dieser Tatsache bewusst gewesen sein müsste.
    »Wenn die criminali Leichen entsorgen, dann fahren sie mindestens vier Seemeilen weit hinaus«, erläuterte ein alter Fischer namens Giuseppe schulterzuckend. »So verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen. Das ist kein Geheimnis.«
    »Und mit wem fahren sie da raus? Weiß das auch jeder?«
    Wieder ernteten sie ein vielsagendes Schulterzucken, das ihnen verriet, dass er das auf gar keinen Fall preisgeben würde. Ganz gleich, ob es nun jeder wusste oder nicht.
    Von diesem Punkt an konzentrierten sie und Piola sich darauf, die Leute im Gebiet innerhalb des Lidos auszufragen. Ob man irgendetwas Auffälliges beobachtet habe? Hatte man etwas gehört? Waren irgendwelche fremden Boote aufgetaucht? Schließlich fanden sie heraus, dass die Fischer – von denen viele zutiefst abergläubisch waren – weit mehr schockiert waren über die Kleidung, die das Opfer getragen hatte, als über die Ermordung. Daher zeigten sie den Männern vor der Befragung zwei Fotos: Eines mit dem Gesicht des Opfers in Nahaufnahme, das Hapadi im Obduktionssaal gemacht hatte, und das andere zeigte die Tote als Ganzes im Priestergewand. Letzteres hatte ausnahmslos die immer gleiche Reaktion zur Folge: Die rechte Hand der Männer wanderte jedes Mal zur Stirn, um sich zu bekreuzigen, während die linke in Richtung der Hoden huschte, um eine abwehrende Geste, die fica oder Feigenhand, zu machen. Sie sollte angeblich vor dem malocchio , dem bösen Blick, schützen.
    Endlich brachte ein junger Fischer namens Lucio sie ein Stück weiter.
    »Das Wetter war schlecht in jener Nacht«, berichtete er. »Wir hatten Flut, und dann war da noch der Schnee … Ich hatte beschlossen, es für den Tag gut sein zu lassen, und wollte zurück zu meinem Mädchen. Sie wohnt in Venedig, wissen Sie, in Dorsoduro? Daher nahm ich eine Abkürzung.«
    »Zeigen Sie es mir«, bat Piola ihn, und der junge Mann fuhr mit dem Finger über die Karte.
    »Hier. Vorbei an der Isola di Poveglia.«
    Piola nickte. »Fahren Sie fort.«
    »Niemand fischt in der Gegend um Poveglia. Die Leute würden keinen Fisch von da kaufen – man sagt, die Tiere ernähren sich dort von menschlichen Knochen. Und es ist streng verboten, dort anzulegen. Die Behörden behaupten, das Gebäude sei einsturzgefährdet, doch jeder weiß, dass der wahre Grund der ist, dass es dort spukt.« Er machte eine kurze Pause und zündete sich eine Zigarette an. »Jedenfalls, als ich da vorbeifuhr, sah ich Lichter. Die haben sich bewegt, wahrscheinlich Taschenlampen. Ich glaube, das war in dem alten Turm.«
    »Haben Sie sich das genauer angesehen?«
    »Wie, am Abend vor La Befana? Auf keinen

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