Marter: Thriller (German Edition)
uns allerdings nicht ergründbar sind.«
»Verstehe. Nun, ich danke Ihnen, Pater. Sie waren mir eine große Hilfe.«
Während sie die Fotografien wegpackte, sagte er: »Wissen Sie, einige der älteren Nonnen hier haben früher auf Poveglia gearbeitet. Als es noch eine Nervenheilanstalt war, versteht sich.«
»Warum hat man die Einrichtung geschlossen?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Ungewöhnlicherweise geschah das meines Wissens auf das Betreiben der Nonnen selbst hin. Viele von ihnen waren zu der Überzeugung gelangt, der Ort sei vom Bösen besessen. Den Nonnen zufolge gab es Erscheinungen, seltsame Begebenheiten …« Er schüttelte den Kopf. »Sicher, es war einst ein lazzaretto gewesen, eine Pestinsel, man erzählte sich die verrücktesten Dinge über den Ort. Die Diözese versuchte selbstverständlich zunächst, ihre Beschwerden zu ignorieren. Nonnen können höllisch abergläubisch sein, und es ist nicht gut, solche Ängste auch noch zu fördern.«
»Was ist geschehen?«
»Soviel ich weiß, stellte man irgendwann fest, dass irgendetwas sich auf die Patienten auswirkte – etwas, für das es keine medizinische Erklärung zu geben schien. Daher traf man die Entscheidung, die Leute an Orte wie diesen hier zu verlegen, wo ihr Zustand sich beinahe unmittelbar zu bessern begann.«
»Dürfte ich Sie etwas fragen, Pater …« Sie zögerte, da sie sich nicht sicher war, wie sie ihre Frage am taktvollsten formulieren sollte.
»Sie wollen sicher wissen, ob ich tatsächlich an das Okkulte glaube«, sagte er leise. »Es ist kompliziert, dies zu beantworten, da ich sowohl ein Mann Gottes als auch Wissenschaftler bin. Als Priester glaube ich gewiss an den Teufel. Doch als Arzt bin ich der Ansicht, dass die schreckliche Macht, die der Teufel über gewisse Leute hat, zum Teil von der Schwäche herrührt, die unserer Natur eigen ist. Menschen, die das Böse begrüßen, tun dies, weil es sie reizt.«
»Also sind Symbole wie die, die ich Ihnen eben gezeigt habe, nicht real? Also nicht im buchstäblichen Sinne?«
»Oh, sie sind real«, versicherte er ihr. »Und genau wie Gebete etwas bewirken, tun auch sie es. Ich könnte Ihnen nicht sagen, ob es auf Poveglia nun tatsächlich spukt oder nicht, Capitano. Aber ich kann Ihnen versichern, dass dies genau die Art von Ort ist, den Menschen mit blasphemischen Absichten aufsuchen würden.«
14
Holly verbrachte eine geschlagene Stunde damit, mit verschiedenen Abteilungen von Camp Darby zu telefonieren, um herauszufinden, wohin man das Archivmaterial aus den Tunneln gebracht hatte. Schließlich teilte ihr ein Sergeant mit, zwei Lastwagenladungen Unterlagen seien gerade unangekündigt vor seinem Hangar vorgefahren, und er sollte verdammt sein, wenn er wüsste, was er damit anstellen sollte.
»Sie haben sie also nicht erwartet?«
»Nein, Ma’am. Und ich kann auch nicht herausfinden, wer die Anweisung gegeben hat, sie hierherzubringen. Das passiert allerdings recht oft – das Zeug wird einfach angekarrt. Ich wette, dass jemand bei euch drüben den Platz gebraucht hat.«
»Und was passiert, wenn niemand Ihnen sagt, was damit zu tun ist?«
»Dann warten wir ein paar Wochen ab, ehe wir die Unterlagen recyceln. Die US -Armee legt nämlich Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der CO 2 -Bilanz. Und bei all den F-16-Flügen und den Phosphorbomben haben wir einiges wettzumachen.« Er kicherte über seinen eigenen Witz.
»Verstanden. Hören Sie, würden Sie mir wohl einen Gefallen tun, Sergeant? Vernichten Sie die Unterlagen bitte nicht, bis ich herausgefunden habe, was hier vor sich geht?«
»Wie ich schon sagte, wir warten in der Regel einige Wochen«, meinte er, und das gleichgültige Schulterzucken in seiner Stimme war unüberhörbar. »Dann aber wird es Zeit, dass wir etwas unternehmen.«
Sie verschickte über ihre sichere @-mail.mil-Adresse Nachrichten an die örtliche Abteilung der CIA und die Einrichtungen des Verteidigungsministeriums, mit der Frage, ob von deren Seite irgendein Interesse an den Archiven vom Camp Ederle bestünde. Nach kurzem Überlegen forderte sie noch alle Dokumente an, die nicht der Geheimhaltung unterlagen und mit der FOIA -Anfrage von Barbara Holton zu tun hatten. Eine automatische Antwort auf ihre E-Mail teilte ihr mit, dass sie binnen fünfzehn Arbeitstagen mit einer Rückmeldung zu rechnen habe.
Sie rief die Handynummer an, die Barbara Holton ihr gegeben hatte. Der Anruf ging direkt auf die Mailbox, daher hinterließ sie eine
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