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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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Gedanke. »Mike«, sagte sie gedehnt, »das alles ist doch nicht etwa ein fieser Streich, oder?«
    »Ein Streich?«, meinte er unschuldig.
    Gerade bei Einsätzen im Ausland wurde man gerne mal reingelegt. Neu angetretene Soldaten wurden beispielsweise ins Waffenlager geschickt, um eine Kiste voll Linkshändergranaten zu besorgen. Gefreite sandte man in die Läden, wo sie Camouflagefarbe in Dosen kaufen sollten. Seeleute wurden abkommandiert, um beim Kalibrieren des Radars zu helfen, und zwar indem sie sich mit Alufolie einwickelten. Es gab endlos viele, äußerst einfallsreiche Abwandlungen dieser Scherze, mit denen sich kampfbereite Truppen auf langen Auslandseinsätzen bei Laune hielten. Erst eben war Holly aufgefallen, dass es sich bei der Amerikanerin mittleren Alters, die sich verblüffend gut artikuliert hatte und die mit einer sonderbaren FOIA -Anfrage angekommen war, um etwas Ähnliches handeln könnte.
    Mike lächelte über ihren Einfall. »Ich wünschte, es wäre so – wäre nämlich ein ziemlich genialer Streich gewesen. Aber nein, soweit ich weiß, ist es nicht so. Sie haben es sich selbst ausgesucht, den Fall zu übernehmen, schon vergessen? Ist Ihre eigene Schuld.«
    Zum Ausbildungszentrum von Camp Ederle gehörten nicht weniger als drei angegliederte Colleges: die Universität von Maryland, das Central Texas College und die Universität von Phoenix. Sie sah sich die Stundenpläne für die Vorlesungen auf ihrem Computer an. An den drei Einrichtungen konnte man alles studieren, von Strafjustiz bis hin zu Wirtschaftswissenschaften, alles Kurse, die stark vom Staat bezuschusst wurden. Dennoch, das wusste sie, bevorzugten es die meisten Soldaten, in ihrer freien Zeit armeeinterne Weiterbildungsseminare zu besuchen.
    Ian Gilroy unterrichtete zwei Kurse: italienische Militärgeschichte und römische Kultur. Insgesamt hatte er gerade mal drei Klassen pro Woche, und der Unterricht schien auf keine spezielle Qualifikation hinzuzielen. Das Ganze las sich eher wie das Hobby eines Ruheständlers als eine ernsthafte akademische Maßnahme.
    Da sein Seminar zur italienischen Militärgeschichte in der nächsten halben Stunde zu Ende sein würde, nahm sie den Bus zum Ausbildungszentrum. Dort herrschte reger Betrieb, in erster Linie sah man hier Frauen in Zivilkleidung. Fast eintausend Ehefrauen von Angestellten lebten in der Nähe des Stützpunktes, das wusste sie, und die mussten sich ja irgendwie beschäftigen. Daneben fand sich noch eine kleinere Anzahl älterer Herren, auch sie in Zivil. Das waren dann wohl die Ehemaligen: Soldaten oder Offiziere, die sich in der Nähe niedergelassen hatten und befugt waren, die Einrichtungen des Camps zu nutzen, solange sie lebten. Ihr eigener Vater hatte stets davon geredet, Ähnliches im Camp Darby zu tun.
    Mit einem Mal wurde ihr schwer ums Herz. Viele von diesen Männern waren etwa in seinem Alter. Weißes Haar und diese aufrechte militärische Haltung – würdevoll und doch gleichzeitig so zerbrechlich – versetzten ihr stets einen Stich.
    Sie suchte nach dem entsprechenden Klassenraum und warf einen Blick hinein. Zwei Männer um die siebzig saßen darin und blickten zu einem weiteren Mann, der ähnlich alt war. Er zeichnete gerade ein Diagramm an eine Tafel, während er referierte. Sie nahm an, dass es sich hier um Gilroy handelte, und trat wieder zurück in den Korridor, um auf ihn zu warten.
    Nach etwa fünf Minuten öffnete sich die Tür, und die beiden anderen Männer kamen heraus. Gilroy wischte das Whiteboard sauber, schrubbte es säuberlich mit Brennspiritus.
    »Mr. Gilroy, Sir?«
    Er drehte sich um. Er hatte schlohweißes Haar, und sein Körperbau war schlank, wie es typisch war für sein Alter. Der feste Blick aus seinen blauen Augen allerdings war kein bisschen wässrig, während er Hollys niedrigrangiges Abzeichen musterte. »Ja, Second Lieutenant?«
    »Ich bin hier, weil ich Sie um einen Gefallen bitten möchte, Sir. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie möglicherweise Serbokroatisch sprechen? Ich hätte da ein paar Dokumente, die ich übersetzt bräuchte.«
    Er nickte, offensichtlich geschmeichelt angesichts ihrer Bitte. »Ich werde es gern versuchen. Doch ich muss Sie warnen, meine Fähigkeiten sind in dieser Hinsicht recht mager. Früher haben wir uns eher auf Russisch konzentriert. Haben Sie die Unterlagen bei sich?«
    Sie reichte ihm den Packen, und er winkte sie zu einem Stuhl. Er zog eine Lesebrille heraus, die unauffällig in der Tasche seines Hemdes

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