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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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ihres guten Rechtes und zu Tode beleidigt, wenn man sie in ihre Schranken verwies. Sie war so überzeugt von ihrer Mission und so kämpferisch, dass sie ihre Ziele immer erreichte. Mürbe gemacht, gestand man ihr zu, was sie wollte, sowohl um sie loszuwerden als auch vor ihrer unerschöpflichen Energie kapitulierend. Juanita hatte vor nichts und niemandem Angst. Die Ungleichheit war ihr persönlicher Feind, der allgemeine Konformismus ihr bevorzugtes Schlachtfeld. Sie scheute, um nur ein Beispiel zu nennen, nicht einmal davor zurück, einen Prozess gegen den Vater ihres Mannes anzustrengen, damit dieser endlich seinen Sohn offiziell anerkannte.
    Sie betrachtete die Förderung Marthas, die zwar mächtiges Talent, aber kaum Selbstvertrauen besaß, als Lebensaufgabe. Sie, die sich aus eigener Kraft aus der Armut befreit hatte, besaß die Energie und den Willen für zwanzig. Martha hat ihr ganzes Leben lang versucht, vor ihr davonzulaufen, obwohl ihr immer bewusst war, dass sie ohne ihre Mutter niemals so weit gekommen wäre. Hätte aus dem jungen Wolfgang Amadeus ohne die Beharrlichkeit seines Vaters ein Mozart werden können? Im Falle Juanitas ist es vielleicht sogar noch erstaunlicher, denn während Leopold Mozart selbst Musiker war, hatte Juanita keinerlei Vorbildung in dieser Kunst. Was für eine starke Persönlichkeit muss diese Frau besessen haben, um über die Fortschritte ihrer Tochter zu wachen und diese zu steuern, ohne jemals an der Berechtigung ihres Tuns zu zweifeln!
    Hineingeboren in eine Familie russischer Juden, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts vor den zaristischen Pogromen nach Argentinien geflohen war, ist Juana Heller – wie der Schriftsteller Joseph Kessel – in Villa Clara geboren, einer landwirtschaftlichen Kolonie in der Provinz Entre Ríos, in der die Tausende von Baron Hirsch vor dem sicheren Tod geretteten Aschkenasim Aufnahme gefunden hatten. Der Münchner Milliardär hatte für sich einen neuen Lebenssinn in der Rolle des Mose gefunden, nachdem er seinen einzigen Sohn bei einem tragischen Unfall verloren hatte. Als Juanita gerade einmal elf Jahre alt war, verließ sie ihr Elternhaus, ihre Schwester Aïda an der einen, ihren Bruder Benjamin an der anderen Hand, um nach Buenos Aires auszuwandern. Ein biblisches Bild, das von der Familie in
Ehren gehalten wurde. Martha hat ihre eigene, sehr viel sim-
plere Version der Geschichte: Es gab keine weiterführende Schule in Villa Clara. Und weil Juanita eine hervorragende Schülerin war, hatten ihre Eltern sie in die Hauptstadt ziehen lassen, wo ihre Großmutter wohnte, damit sie dort ihre Studien fortführen konnte. Und nicht viel später waren Bruder und Schwester ihr nachgefolgt.
    Am Tag ihrer Abreise hörte Juanita auf, von ihrer Familie zu sprechen, vermutlich weil ihre Eltern sich nie wirklich für sie interessiert hatten. Dennoch schickte sie regelmäßig Geld nach Villa Clara – bis zu dem Moment, als sie herausfand, dass ihre Eltern lange nicht so arm waren, wie sie immer vorgegeben hatten. Danach brach sie die Verbindung endgültig ab.
    Juanita wurde von ihrer Großmutter Bronfman wie eine Sklavin behandelt und ertrug dieses Leben nur schwer. Neben den Schulstunden im Gymnasium musste sie arbeiten, um ihr Zimmer bezahlen zu können. Eine ebenfalls in dem Haus wohnende Cousine von Juanita wurde wesentlich zuvorkommender behandelt, weil ihre Eltern vermögend waren. Die unterschiedliche Behandlung kränkte Juanita zutiefst. Auch später sollte sie stets ohne einen Pfennig Geld irgendwo auftauchen, um »arme Leute zu spielen«, wie Charles Dutoit sich ausdrückte. Martha hat es in ihrer Kindheit offenbar an nichts gemangelt, ihr Verhältnis zum Geld war eindeutig ein anderes als das ihrer Mutter. Für sie hat Geld nie eine Rolle gespielt, wobei sie sich häufig mit Menschen umgab, die ihre Großzügigkeit ausnutzten. Gleichzeitig vertraute sie aber auf ein paar wenige, die sie in finanzieller Hinsicht zu beschützen wussten.
    Mit sechzehn Jahren löste sich Juanita aus den Fängen ihrer ungeliebten Verwandtschaft und bezog eine Dienstmädchenkammer, in die sie ihren Bruder und ihre Schwester bald nachkommen ließ. Sie gab Stenografiekurse für Studenten, die sich der Autorität der wesentlich Jüngeren bereitwillig unterordneten. Im selben Jahr schrieb sie sich, obwohl eigentlich noch viel zu jung, an der Universität für Wirtschaftswissenschaften ein. Kein Hindernis scheuend, nahm sie ein langwieriges Prüfungsverfahren in

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