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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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leicht glasig, und er wischte sich jetzt mit dem Handrücken über die Wange.
    »Ich brauche bestimmt eine Tollwutimpfung. Ich hab dieses Tier berührt, das Gott weiß wie viele Bakterien und Viren mit sich rumschleppt. Das hatte bestimmt Tollwut.«
    »Ist das schlimm?«, fragte Teresa.
    »Da kriegt Papa Schaum vorm Mund«, erklärte Mark lässig.
    »Mark!« Karen schoss ihm über den Rückspiegel einen warnenden Blick zu. Dann griff sie nach Bernds Hand und zog sie sanft von seinem Mund weg, ohne dabei die Augen von der Straße zu wenden. »Nun mach dich nicht verrückt. Wir fragen am besten in der Pension nach, wir sind ja gleich da.« Sie bog geschickt um die Ecke. Etwas klapperte leise außen am Van. »Da vorn ist es doch schon – Woodland House .«
    Links erschien ein mit Kies bestreuter Parkplatz, in den sie nun einbog. Dahinter erhob sich ein adrettes weißes Haus im Tudor-Stil mit Fachwerkschnitzereien und hängenden Blumenkörben am Eingang. » Welcome « stand auf einem Holzschild, das in einem Blumenbeet steckte. Karen zog den Zündschlüssel heraus und stieg aus. Die Luft roch süßlich nach dem Geißblattbusch vor der Tür und hatte jetzt am Abend eine angenehme Temperatur erreicht. Endlich. Sie streckte sich.
    »Gibt’s hier WLAN ?«, fragte Mark.
    »Hier gibt’s Auspacken.« Karen drückte ihm einen Koffer und einen Beutel in die Hand. »Bernd? Willst du da drin sitzen bleiben?«
    Bernd kletterte umständlich vom Beifahrersitz, die eine Hand an seiner Schulter, die andere vor seinem Mund.
    »Das wird schon«, sagte Karen. »Du gehst morgen zum Arzt, und das Auto lassen wir auch gleich reparieren. Ist ja nur der Blinker.« Hoffentlich. Eine wahnsinnig teure Reparatur konnten sie sich weiß Gott nicht leisten. Dann konnten sie eigentlich auch gleich wieder nach Hause fahren und vierzehn Tage lang auf dem Balkon sitzen. Eine Vorstellung, die Karen angesichts des gerade Erlebten auf einmal paradiesisch vorkam. Warum mussten sie ihren Urlaub überhaupt so weit weg von zu Hause verbringen? Warum in Schottland? Weil Bernd das unbedingt wollte? Weil Highlander einer seiner Lieblingsfilme war? Weil er von Dudelsackmusik, Whisky und Robert Burns besessen war?
    »Na, Mensch!«, rief plötzlich jemand auf Deutsch quer über den Parkplatz. »Da hat wohl jemand Probleme mit dem Linksverkehr gehabt, was?« Ein stämmiger Mann um die fünfzig in lindgrünen Shorts und mit Kamera um den Hals kam auf sie zu. Eine nicht angezündete Zigarette steckte ihm wie ein Fieberthermometer im Mund und fiel nun beinahe heraus, weil er so begeistert lachte. »Oi, oi, oi, da hat’s aber gekracht. Da muss man höllisch aufpassen, dass man nicht auf der falschen Seite fährt. Vergisst man immer wieder. Wir kommen ja schon seit fast zehn Jahren im Sommer hierher, aber die ersten paar Tage, ich sag’s Ihnen, die sind nicht ohne.« Er zündete die Zigarette an. »Belzer mein Name, wir kommen aus dem Vogtland.«
    »Das war ein Reh«, sagte Karen würdevoll. Was bildete der Typ sich eigentlich ein? »Nicht der Linksverkehr.«
    »Ein Reh? Haben Sie’s gleich mitgenommen? Dann gibt’s heute Abend Braten.« Der Mann lachte dröhnend und holte aus, um Bernd auf die Schulter zu klopfen, doch der wich im letzten Moment mit angstverzerrtem Gesicht zur Seite aus. Stattdessen fuhr die Hand des Mannes mit Schwung in Tante Marthas Frisur.
    »Na, na, na«, sagte sie. »Wollen Sie mich skalpieren?«
    »Ich … also, entschuldigen Sie bitte, ich …« Herr Belzer lief rot an, verschluckte sich am Rauch seiner Zigarette, winkte ab und drehte sich um. »Äh, man sieht sich«, krächzte er im Weggehen. Am Hauseingang wartete eine kleine beleibte Frau auf ihn und hob leicht die Hand zum Gruß, als sie die Thiemes sah.
    »Die Arme«, kommentierte Martha. »Also, den könntet ihr mir nackt vor’n Bauch binden, ich würd ihn nicht haben wollen.«
    »Aber er dich bestimmt auch nicht, Tante Martha.« Mark grinste. Karen gluckste. Erst leise, dann lauter. Immer lauter. Es tat so gut, auch wenn ihr Gelächter einen leicht hysterischen Beiklang hatte. Sie konnte ihr Spiegelbild im Autofenster sehen – wie sie da stand mit wirren Haarsträhnen im verschwitzten Gesicht, den unmöglichen Hosen (Tante Martha hatte recht, die trugen auf), einem Paar Wanderschuhen und einer Flasche Honigshampoo in der Hand. Absolut furchtbar, aber irgendwie auch passend. Immerhin hatte sie in den letzten zwölf Stunden Dinge durchgemacht, die sie sich heute Morgen beim

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