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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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drehte sich zu ihr und griff nach ihrer Hand.
    »Heiraten sie jetzt?«, fragte die alte Mrs Warnock.
    »Sch«, machte ihre Tochter.
    »Sie will bei mir bleiben. Für immer.«
    Karen hob erstaunt den Kopf. Was war das eben?
    »Sie wird bei mir bleiben, denn niemand weiß, wie viel Zeit wir noch miteinander haben, und ich für meinen Teil lasse mir keine Sekunde mehr davon nehmen.«
    »Aber …«, setzte Karen an, doch Martha hob beschwichtigend die Hand.
    »Und damit wir nicht noch öfter solche Schrecksekunden erleben wie heute Nachmittag …«
    »Mir geht’s wieder gut«, fiel Martha ihm ins Wort. »Mach nicht so viel Aufhebens darum.«
    »Wir haben es uns versprochen«, sagte John leise und beugte sich zu ihr hinunter. »Keine Streitereien mehr.«
    »Das schaffe ich nicht«, entgegnete Martha. Aber sie strich ihm dabei mit dem kleinen Finger über die Hand.
    »Damit wir also so was nicht öfter erleben, haben wir beschlossen, uns mehr Ruhe zu gönnen.« John wischte sich mit einer Serviette über das Gesicht. Die Luft war mittlerweile schwül und dunstig geworden. In nicht allzu langer Zeit würde ein Gewitter auf Glen Manor niedergehen. Karen nickte zustimmend. Bernd ebenfalls.
    »Immerhin haben wir viel nachzuholen.« An dieser Stelle zwinkerte John Martha zu und ähnelte eine Sekunde lang gespenstisch seinem jüngeren Selbst vom Foto in der Destillerie. »Es gibt Wichtigeres als Whisky.«
    Bernd warf Karen einen überraschten Blick zu. Sie zuckte ratlos mit den Schultern. Sie hatte auch keine Ahnung, worauf John hinauswollte.
    »Genau genommen, gibt es für mich nur noch eins, das wichtig ist. Diese Frau.« Wieder sah John Martha tief in die Augen. »Und besonders jetzt, wo ich mir um die Zukunft von Glen Manor keine Sorgen mehr machen muss.«
    Karen lächelte gequält. Allein die Reparatur dieser Fenster würde ihr ganzes Jahresgehalt verschlingen.
    »Und deshalb haben Martha und ich unser Testament noch einmal geändert. Das Haus geht mit sofortiger Wirkung in euren Besitz über, liebe Karen.«
    Karen verschluckte fast die Weintraube, auf der sie heimlich herumgekaut hatte.
    »Und da ich natürlich nicht weltfremd bin und weiß, dass ihr den Unterhalt für ein solches Haus niemals bezahlen könntet, bekommt ihr die Destillerie noch mit dazu. Ich habe Vertrauen in euch. Gebt gut auf sie acht.« Seine Stimme zitterte leicht, und er wischte sich verdächtig lange mit der Serviette am Auge herum.
    »Was redest du da, John? Verstehe ich dich richtig?« Bernd stand auf, die Fassungslosigkeit war ihm ins Gesicht geschrieben. »Du schenkst uns die Glenlochlin Destillerie ?«
    »Nicht schenken. Vererben. Ihr gehört doch jetzt zur Familie.«
    »Haben sie jetzt doch schon geheiratet?« Die alte Mrs Warnock wandte sich sichtlich verwirrt an Teresa, die links neben ihr saß und Angus mit Käsestückchen fütterte.
    »Ich heirate nie«, erwiderte die Kleine trotzig.
    »Aber zum Vererben muss man ja nicht immer warten, bis jemand … Nun ja. Ihr werdet uns doch sicher hier wohnen lassen, oder?« John lächelte verschmitzt.
    »Natürlich«, flüsterte Karen. Etwas trübte ihre Sicht. Eine Träne. Und noch eine. Sie würde doch jetzt nicht anfangen zu heulen, oder? Obwohl – Mrs Warnock junior heulte bereits wie ein Schlosshund und machte sich gar nichts daraus. »Natürlich werden wir das.« Sie schluckte und holte tief Luft. »Natürlich. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das kommt alles so plötzlich, ich meine – seid ihr euch sicher?«
    »Ganz sicher«, sagte Martha. »Wenn ich schon hierbleibe, um ihn zu pflegen, dann soll er nicht den ganzen Tag mit seinen Whiskyfässern verbringen und halb beduselt nach Hause kommen.«
    »Du musst mich nicht pflegen.«
    »Jetzt noch nicht.«
    »Also bitte, Martha, wer ist heute umgefallen, du oder ich?«
    »Das war doch nichts weiter.« Martha trank zum Beweis einen großen Schluck aus ihrem Glas.
    »Aber«, meldete sich Bernd, »ich habe doch überhaupt keine Ahnung von der Whiskyherstellung und mit meinem schlechten Englisch, ich …« Er hob hilflos die Hände.
    »Dein Englisch ist klasse«, versicherte ihm Karen. »Man hält dich manchmal für einen Dänen.«
    »Holländer. Und das bringe ich dir schon bei«, erklärte John. »Es gibt ja auch noch die Jungs, die mit mir in der Destillerie arbeiten. Oder möchtest du nicht? Dann müsste ich den Termin mit Mr Gilford wieder absagen. Der kommt nämlich morgen noch einmal vorbei. Dann machen wir das alles

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