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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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machten die Schriften nicht, nicht einmal Lärm. Es war da wieder einmal ein Fingerhut voll Pulver zum Sprengen einer Gebirgskette angewendet worden.
    Aber gleichviel. Eine kleine Schrift von unberühmter Feder kann die Welt nicht aufstören. Ihr Zweck war auch ein anderer. Rudolf hatte sich sozusagen das Programm vom Herzen geschrieben, das er seinem Apostolat zugrunde legen wollte. Er wußte ja, daß das, was er unternahm, eine langjährige Kampagne werden mußte, um irgendwie durchzubringen – und vorläufig war in den beiden Schriften zu dieser Kampagne der Plan abgesteckt. Er hatte hineingelegt, was ihm in manchen Nachtstunden überkam, wenn er zwischen Wachen und Träumen lag und an sein Lebenswerk dachte – nämlich, tiefgeekelte Entrüstung über obwaltende Schildbürgereien, Bosheiten und Gemeinheiten und dann wieder frohlockendes Erfassen der Glücksmöglichkeiten einer schöneren Zukunft und der schon vorhandenen Ansätze dazu. Er mußte sich aber selber sagen, daß seine Ausführungen, wie sie da auf dem Papiere standen, nur ein ganz matter Abklatsch jener nächtlich heftigen Gefühlsanwandlungen und grellen Gedankenblitze war, das kam daher – sagte er sich: zum Schreiben hat man nur Worte, – festgeprägte, an alte Erkenntnisse geknüpfte Worte, die Gedanken hingegen, vom Gefühle sekundiert, operieren mit Ahnen und Sehnen, mit inbrünstiger Neuerkenntnis von Dingen, für die im bestehenden Wortschatz der Ausdruck noch nicht geprägt ist. »Wenn ich denke«, so erklärte er einmal im Gespräch mit Kolnos diesen Kontrast: »so bewegt sich mein Geist mit Schwingen und wenn ich schreibe – in Galoschen.«
    Unter den Briefen, die ihm infolge seiner Publikation zugekommen waren, fiel ihm einer auf in verstellter Frauenhand und ohne Unterschrift. Es waren nur wenige Zeilen:
    »Die Lektüre Ihrer beiden Schriften – die Titel sind mir zu lang, ich nenne sie »die Hölle und das Paradies« – haben mich tief ergriffen und ich muß es Ihnen sagen. Wenn Sie auch nicht wissen, wer es sagt – ich glaube, es wird Ihnen immerhin lieb sein, zu erfahren, daß Ihre Worte eine Schwesterseele – die empfängliche Seele eines jungen Weibes – in gehobenste Mitschwingung versetzt haben.
    Übrigens nicht um Ihnen angenehm zu sein, schreibe ich dieses, sondern um meine eigene Sehnsucht zu befriedigen, die Sehnsucht, Ihnen zu sagen, daß mein Herz in hingebender Bewunderung für Sie schlägt. Das niedergeschrieben zu haben und mir vorzustellen, daß Sie es lesen werden, das tut diesem Herzen wohl.«
    Rudolf war nicht unempfänglich für den warmen Ton, der aus dem anonymen Briefchen sprach. Aber nachdem er es beiseite geschoben, und die anderen mit gleicher Post angelangten Zuschriften las, dachte er nicht mehr daran.
    Was ihm mehr zu denken gab, war ein amtliches Schreiben aus dem Kriegsministerium, das ihn für den nächsten Vormittag, zehn Uhr, in die Kanzlei des Ministers beschied. Er ahnte wohl, was da kommen würde. Der Gang war ihm ein unangenehmer, aber er mußte getan werden. Am folgenden Tag fand er sich pünktlich zur bestimmten Stunde am bestimmten Orte ein.
    Der Kriegsminister war ein Vetter vierten Grades seines verstorbenen Vaters und oft war er mit ihm in befreundeten Häusern zusammengekommen, hatte ihn auch einmal als Jagdgast in Brunnhof empfangen. Aber diesmal sollte er dem Gestrengen nicht in verwandtschaftlichem, noch in gesellschaftlichem, sondern in dienstlichem Verhältnis gegenüber treten, in seiner Eigenschaft als Oberleutnant der Reserve.
    Der Minister war allein in seinem Kabinett, als Rudolf, von einem Ordonnanzoffizier gemeldet, dasselbe betrat.
    Der alte Herr, dessen Physiognomie immer eine martialische war, nahm einen ganz besonders strengen Ausdruck an und mit schnarrender Stimme sagte er:
    »Ah – Herr Oberleutnant Dotzky – kommen Sie nur her.«
    Rudolf, der in einiger Entfernung salutierend stehen geblieben war, trat näher. Die Ansprache bedeutete nichts gutes. Außerdienstlich waren die beiden Männer auf dem Duzfuße. Das unfreundliche »Sie« kehrte den Vorgesetzten heraus. »Sagen Sie« – er nahm von seinem Arbeitstisch zwei gelbe – Rudolf gar wohlbekannte Hefte und hielt sie, eins in jeder zitternden Hand – in die Höhe – »haben Sie diese beiden Wische geschrieben?«
    »Ja, Exzellenz. Ich habe die Schriften ja auch gezeichnet.«
    »Aber Sie Unglücksmensch – wissen Sie, was nun geschehen muß?«
    »Ich kann es mir ungefähr vorstellen. Ich werde aus dem

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