Martin, Kat - Perlen Serie
außerordentlich schön, wie Sie ja selber wissen, sie ist allerdings noch sehr jung und unbedarft. Ich habe Gefallen an Ihrer älteren Tochter gefunden."
Harwood hob einen kleinen Porzellankrug hoch, der auf ei-
nem der Sheraton-Tische stand, und betrachtete ihn nach- denklich. Der Baron war wie immer ein wenig stutzerisch ge- kleidet, mit einem blauen Frack aus schimmerndem Satin und einer schwarzen, gerüschten Halsbinde. Es schien ihn nicht zu kümmern, was Cord von ihm dachte, denn er selbst hielt sich offensichtlich für einen attraktiven Mann.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Auch Victoria ist sehr jung und im Grunde noch nicht bereit, eine Ehefrau zu werden."
Cord übersetzte seine Worte im Stillen mit: „Sie führt mir unbezahlt meinen Haushalt, und ich genieße es, dass sie von mir abhängig ist."
„Nun, sie ist immerhin neunzehn ... und unter den gegebenen Umständen ... eine junge Frau, die mehrere Wochen im Haus- halt eines Junggesellen gelebt hat... Das wird früher oder spä- ter zu böswilligen Gerüchten führen. Wenn die Geschichte erst einmal ihre Kreise zieht, wird der Ruf Ihrer Töchter ruiniert sein. Und ebenso werden Ihr eigener Ruf und der meine Scha- den nehmen. Wenn ich Victoria heirate, können wir dem ent- gegenwirken."
Harwood stellte den Krug auf den Tisch zurück. Keiner der beiden Männer hatte sich während der Unterhaltung gesetzt, um dem anderen nicht unterlegen zu sein.
„Ich werde darüber nachdenken."
„Tun Sie das. Und denken Sie auch daran, dass ich als Earl und ihr Schwager auch den Ruf Claires schützen könnte." Gedankenverloren spielte Harwood mit der Manschette sei- ne Fracks. „Ich habe immer noch den Verlust der Halskette zu bedenken. Victoria wird hier bleiben müssen, bis sie ihre Schuld beglichen hat."
Cord war auf dieses Argument vorbereitet. „Ich werde Ihnen den Wert der Kette erstatten. Als Victorias Ehemann muss ich ohnehin für ihre Schulden einstehen."
Harwood zeigte sofort Interesse und bestätigte Cord in sei- ner Einschätzung des Barons. Die nächste halbe Stunde ver- brachten sie damit, über die genaue Summe zu feilschen, und am Ende gab Cord sich geschlagen und willigte in einen aber- witzig hohen Preis ein.
„Ein solches Schmuckstück ist unbezahlbar", erläuterte der Baron. „Es ist nicht zu ersetzen."
Nicht ganz, dachte Cord, dem es gelungen war, die Kette ausfindig zu machen, und der sie dann selbst erworben hatte.
Nachdem Victoria ihm von dem Pfandleiher in Dartfield er- zählt hatte, war es ihm nicht schwer gefallen, die Spur des Schmuckstücks zu verfolgen. Für einen Preis, der weit über dem lag, was Victoria dafür bekommen hatte, hatte Cord die Kette zurückgekauft.
Da er Victoria heiraten würde, war es für ihn eine Sache der Ehre, Harwood den Verlust durch ihren Diebstahl zu ersetzen. Zunächst hatte Cord geplant, dem Baron die Kette einfach zu- rückzugeben, doch dann hatte er, aus Gründen, die er sich selbst nicht genau erklären konnte, beschlossen, sie zu behal- ten.
Als er die Habgier in Harwoods dunklen Augen funkeln sah, war er froh über seine Entscheidung. Das schöne alte Schmuckstück war viel zu kostbar für diesen Mann.
„Wenn Sie bereit sind, mich für die Kette so großzügig zu entschädigen, sind Sie dann auch dazu bereit, Victoria ohne Mitgift zu heiraten?"
Cord versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass Har- wood einen wunden Punkt getroffen hatte. Er hatte in den letzten Jahren große finanzielle Erfolge erzielen können. Da- bei hatte er sich indes geschworen, das Familienvermögen durch eine kluge Heirat noch weiter auszubauen, und die Fra- ge des Barons erinnerte ihn an sein Versagen in dieser Hin- sicht.
„Ich werde Sie nicht darum bitten."
Schließlich stimmte Harwood der Heirat fast mit Begeiste- rung zu. Cord nahm an, dass dem Baron endlich aufgegangen war, dass er auf diese Weise Victoria aus dem Haus bekam, die bislang argwöhnisch über Claire gewacht hatte.
Er wurde erst ruhiger, nachdem er den Brandy getrunken hatte, der für ihn auf einem silbernen Tablett bereitgestellt worden war. Er bemerkte, dass sein Gästezimmer überra- schend schön war, obwohl die dunkelgrünen Damastvorhänge schon bessere Tage gesehen hatten und die Tagesdecke auf sei- nem Bett auch schon etwas schäbig wirkte. Doch das Zimmer wirkte frisch und sauber, und die Möbel waren auf Hochglanz poliert. Victorias Handschrift, dachte er unwillkürlich und musste ein Schmunzeln
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