Martin, Kat - Perlen Serie
umgeschlagen, es war feucht und windstill geworden, und über die Stadt hatte sich ein schwerer, rußiger Dunst gelegt. Cord wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Jede Minute länger, die Tory und Claire in Harwood Hall blie- ben, setzte sie größerer Gefahr aus. Er konnte nur hoffen, dass die kaum verhüllten Drohungen, die er dem Baron gegenüber geäußert hatte, diesen bis zum Tag der Hochzeit unter Kon- trolle zu halten vermochten.
Ruhelos ging Cord im Arbeitszimmer des Dukes of Sheffield auf und ab. Der Raum erstreckte sich über zwei Stockwerke, und an den Wänden reihten sich vom Boden bis zur Decke Re- gale mit ledergebundenen Büchern. Zwei Lampen aus Messing und mattiertem Glas hingen über einem langen, aufwändig ge- schnitzten Holztisch, der von Stühlen mit hohen Lehnen um- geben war. In einer Ecke des Zimmers befanden sich Sheffields Schreibtisch und einige gemütliche Ledersessel.
„Wie spät ist es?" Cord sah zu der vergoldeten Uhr auf dem Kaminsims.
„Seit deinem letzten Blick auf die Uhr sind zehn Minuten vergangen. Beruhige dich, der Junge wird schon noch kom- men."
Cord erschien es wie Stunden, doch schließlich traf ihr Be- sucher ein. Blond, mit rosigen Wangen und ein wenig aufge- regt, etwas unbeholfen und erstaunlich schüchtern. Mit seinen vierundzwanzig Jahren schien Percival Chezwick sich in sei- nem schlaksigen Körper immer noch nicht wohl zu fühlen. Cord kam der Gedanke, dass er ein sehr gut aussehender und attraktiver Mann sein würde, wenn er erst einmal etwas reifer geworden war.
Der Duke hieß ihn willkommen. „Guten Abend, Percy. Wie schön, dass du kommen konntest."
„Guten Abend, Euer Gnaden ... Eure Lordschaft." In den Wochen nach der Abendgesellschaft war Percy einige Male wegen vermeintlich wichtiger Angelegenheiten in Cords Stadthaus erschienen. Eigentlich wollte er dabei nur einen Blick auf Claire erhaschen.
Einmal hatte Cord die beiden dabei überrascht, wie sie sich verlegen unterhielten, wobei sie abwechselnd erröteten und ins Stottern gerieten. Als Percy Cord bemerkt hatte, hatte er sich entschuldigt und schnell das Haus verlassen.
Der Junge schien sogar jetzt sehr aufgeregt. Vielleicht glaub- te er, dass Cord ihn herbeizitiert hatte, um ihn wegen seiner heimlichen Gedanken an Claire zu rügen.
„Schön, dass du gekommen bist, Chez."
Dass Cord seinen vertraulichen Spitznamen benutzte, ließ ihn augenblicklich entspannen. „Ich freue mich immer, euch beide zu sehen."
Sheffield bat ihn ins Zimmer. „Nun, eigentlich geht es bei unserer Einladung um mehr als einen bloßen Besuch unter Freunden. Cord möchte etwas mit dir besprechen. Da er glaubt, du könntest etwas moralische Unterstützung gut ge- brauchen, schlug er vor, dass wir uns bei mir treffen. Zumal er auf deine Hilfe zählt, wenn du erst die ganze Geschichte gehört hast."
„Aber natürlich. Ich versuche immer zu tun, was ich kann."
„Sei lieber nicht so voreilig", warnte ihn Cord. „Hier geht es um etwas, was über den weiteren Verlauf deines Lebens ent- scheiden könnte."
Fragend zog Percy eine seiner dünnen blonden Brauen hoch. „Nun bin ich aber wirklich neugierig geworden."
„Das freut mich, denn es geht um eine junge Dame, die du kennst. Sie heißt Claire, und ich denke, du weißt, wen ich mei- ne."
Percys ohnehin rosige Wangen nahmen einen noch tieferen Farbton an. „Das Zimmermädchen?"
„Nun ja, wie sich herausgestellt hat, ist sie eigentlich gar kein Zimmermädchen, sondern die Tochter eines Barons. Und damit sind wir schon bei dem eigentlichen Problem."
Tiefe Besorgnis schlich sich in die Züge des jungen Mannes. „Was ist passiert? Ist Claire etwas geschehen?"
„Noch nicht", verkündete Cord unheilvoll. „Aber wenn wir nicht schnell handeln, könnte das bald geschehen." Er deutete auf die Ledersessel, die vor dem Schreibtisch standen. „Wa-
rum setzen wir uns nicht, und ich erzähle dir alles in Ruhe."
„Ich hole dir etwas zu trinken", bot Sheffield an. „Du wirst es wahrscheinlich brauchen."
Percy schluckte. „Danke. Vielleicht brauche ich das wirk- lich."
Fast zwei Stunden später waren Cord und Rafe wieder allein im Arbeitszimmer.
„Nun, es scheint, als ob die Sache abgemacht wäre", be- merkte Rafe.
„Es sieht ganz so aus."
Rafe lachte leise. „Der Junge hat vor Glück ja nahezu ge- strahlt. Ich glaube, er ist bis über beide Ohren in dieses Mäd- chen verliebt und konnte es kaum glauben, als du ihm vorge- schlagen hast, sie zu heiraten.
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