Martin, Kat - Perlen Serie
Ich bin es, die die Halskette entwendet hat, und ich habe dich auch dazu überredet, mit mir wegzulaufen, Ciai- re."
„Ich habe Angst."
Tory hatte selber Angst - vor allem um ihre Schwester. „Viel- leicht ... vielleicht findet der Earl einen Weg, um uns zu hel- fen." Ihr blieb nichts als dieser Wunsch, und sie hoffte instän- dig, dass er in Erfüllung gehen möge. Doch sie glaubte kaum daran, dass tatsächlich etwas geschehen würde.
Claires Gesicht hellte sich auf. „Ja, ich bin mir sicher, dass
ihm das gelingt", sagte sie bestimmt. Wie immer verharrte sie in Gedanken nicht lange bei ihren Problemen, sondern schweifte ab in ein Wunschdenken, das die Welt sofort wieder in einem hellen, rosigen Licht erscheinen ließ. „Lord Brant ist ein sehr außergewöhnlicher Mann."
Tory sah Cord wieder vor sich, kraftvoll und gut aussehend. Sie versuchte, die Erinnerung an seine begierigen Küsse und ihre entflammten Körper, an das unbändige Verlangen und die berauschende Leidenschaft zu verdrängen.
Stattdessen setzte sie ein zuversichtliches Lächeln auf. „Ja, das ist er, und ich bin mir sicher, dass ihm etwas einfallen wird."
Vielleicht konnte er ihnen tatsächlich helfen, aber wie lange würde das dauern? Und wie lange könnte Harwood sich noch gedulden, bis er sich an Claire verginge? Nachdem er Tory be- straft hatte, war er abgereist, da er für den Rest der Woche Ge- schäfte außer Haus tätigen wollte. Doch wenn er danach zu- rückkehrte ... Sie wollte gar nicht daran denken.
Behutsam trug Claire den Rest der Salbe auf.
„Danke, meine Liebe. Es fühlt sich schon viel besser an." To- ry zog sich ihr Nachthemd wieder an und band die Schleife zu. „Geh jetzt zurück in dein Zimmer, und versuche zu schlafen. Solange Lord Harwood nicht im Haus ist, sind wir sicher." Claire nickte. Sie hatte sich in den Monaten, seitdem sie Harwood Hall verlassen hatten, verändert. Etwas von ihrer Unbedarftheit hatte sich verflüchtigt, und wenn es nach dem Willen des Barons ging, würde sie bald auch den letzten Rest ihrer Unschuld verloren haben.
Tory hörte, wie sich die Tür leise schloss. In der Dunkelheit ihres Zimmers legte sie sich vorsichtig auf die Seite und sah, wie sich vor dem Fenster die Äste der Bäume wie dunkle Schatten bewegten und leise gegen die Scheibe schlugen. Sie schloss ihre Augen, doch der Schlaf wollte lange nicht kommen.
„Entschuldigen Sie, Miss." Der Butler, ein kleiner, zerbrechli- cher Mann um die siebzig, der um seine Stelle bangte und für einen weitaus geringeren Lohn arbeitete, als ihm eigentlich zustand, eilte den Korridor entlang in Richtung der Wäsche- kammer. Dort war Tory gerade mit einer Bestandsaufnahme der Tischtücher beschäftigt. Zwar war sie auf Harwood Hall keine Haushälterin, doch ihre Aufgaben waren dieselben, wie
sie sie in Cords Haus verrichtet hatte.
„Sie haben einen Besucher, Miss. Der Earl of Brant ist ge- kommen, und ich habe ihn in den Salon geführt."
Ihr Herz begann aufgeregt zu pochen. Cord war hier! Sie musste sich eingestehen, dass sie an seinem Kommen gezwei- felt hatte.
„Danke, Paisley. Beauftragen Sie doch bitte eines der Zim- mermädchen, damit es eines der Gästezimmer herrichtet." Hastig nahm sie die Schürze ab, die sie über ihrem apfelgrü- nen Musselinkleid getragen hatte, und eilte durch die Ein- gangshalle zum Salon. Bevor sie den Raum betrat, fuhr sie sich noch einmal mit der Hand über das Haar und wünschte, dass sie es nicht zu einem so unvorteilhaften Knoten gebunden hät- te. Und wenn ihre Hände nur nicht so zittern würden!
Der Graf stand vor dem Kamin und wandte ihr den Rücken zu. Für einen Moment genoss sie es, ihn unbemerkt beobach- ten zu können, und betrachtete seine langen Beine, die breiten Schultern und seine schlanken Hüften.
Als er sich zu ihr umdrehte, stürmten alle Gefühle, die sie bislang unterdrückt hatte, mit einem Mal auf sie ein. Sie spür- te Tränen in ihre Augen steigen und musste sich mit aller Macht zwingen, nicht zu ihm zu laufen und ihm um den Hals zu fallen.
„Mylord." Die Worte waren leiser, als sie beabsichtigt hatte, doch ihre Stimme blieb fest, und es gelang ihr, den emotiona- len Aufruhr in ihrem Inneren zu verbergen.
Er kam auf sie zu, und sie sah in seinen Augen einen Aus- druck, der nicht nur von Besorgnis sprach. „Geht es Ihnen gut?"
Sie nickte. Die Wunden auf ihrem Rücken brannten noch im- mer höllisch, und sie konnte sich kaum bewegen, ohne vor Schmerzen zusammenzuzucken.
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