Martin, Kat - Perlen Serie
verzehrte.
Ethan ging zu ihm und setzte sich. „Es ist schön, Sie zu se- hen, Max."
„Ganz meinerseits, mein Freund. Wie ich sehe, haben Sie endlich wieder etwas auf die Knochen bekommen. Haben Sie schon gefrühstückt? Diese Pastete mit Rindfleisch und Nierchen ist ganz vorzüglich." Bradley war genauso groß wie Ethan und hatte auch schwarzes Haar, nur dass seines glatt war und ihm bis auf die Schultern hing. Er war älter als Ethan und musste auf die vierzig zugehen. Sein wetterge- gerbtes Gesicht war hager und wirkte immer etwas unwirsch. Max Bradley wirkte auf den ersten Blick wie ein Mann, dem man besser aus dem Weg ging.
„Nein danke, ich habe bereits auf dem Schiff gegessen. Was haben Sie an Neuigkeiten?"
„Nicht viel. Zumindest nichts über Jeffries, falls Sie das mei- nen." Max arbeitete hauptsächlich auf dem Kontinent. Sein Französisch war einwandfrei, und er fiel in den Schänken, Spielhöllen und Bordellen der französischen Unterwelt nicht auf. Dort konnte man des Öfteren an Informationen gelangen,
die sich irgendwann gegen Napoleons Armee verwenden lie-
ßen.
„Dieser Mann ist ein ganz gerissener Hund", stellte Ethan
fest. „Wahrscheinlich versteckt er sich in irgendeinem Schloss
und macht sich ein schönes Leben." Kurz überlegte er, ob er er-
wähnen sollte, dass er Jeffries' Geliebte an Bord seines Schiffes
gefangen hielt. Aber Bradley arbeitete für die Regierung, und
Grace Chastain war eine persönliche Angelegenheit.
„Was gibt es bei Ihnen?", fragte Max Bradley. „Haben Sie et-
was Neues über die Expansionspläne der französischen Flotte
in Erfahrung bringen können?"
„Bislang noch nicht, aber ich befinde mich auf dem Weg
nach Brest. Es gibt ein Gerücht, dass dort weitere Schiffe ge-
baut werden sollen."
„Ich habe auch gehört, dass einige Schiffe bis Cadiz gesegelt
sind."
„Ich werde sehen, was ich herausfinden kann."
„Seien Sie vorsichtig, Captain. Jeffries mag keine Gefahr
mehr darstellen, die Franzosen haben allerdings nach wie vor
ihre Spione - genauso wie wir die unseren haben. Ihre gelun-
gene Flucht hat die Franzosen wie Dummköpfe dastehen las-
sen. Wenn man Sie noch einmal erwischt, wird man kurzen
Prozess mit Ihnen machen."
„Die Sea Devil ist das schnellste Schiff, das ich je hatte. Sie
ist leicht gebaut und unglaublich wendig. Trotzdem werde ich
mir Ihre Warnung zu Herzen nehmen."
Max erhob sich und klopfte Ethan zum Abschied auf die
Schulter. „Wenn Sie mich brauchen, hinterlassen Sie mir hier
eine Nachricht. Der Wirt ist ein Freund und absolut zuverläs-
sig. Ich werde mich so oft wie möglich nach Neuigkeiten erkun-
digen."
Ethan nickte. Er sah Bradley nach, der die Schänke genauso
leise und unauffällig verließ, wie er wohl auch gekommen war.
Zwar wusste Ethan, dass der andere mit seiner Warnung Recht
hatte, aber trotzdem musste er seinen Auftrag erfüllen.
Danach würde er nach London zurückkehren und sich nur
noch seinen Pflichten als Marquess of Belford widmen - und
Grace Chastain würde ihrer gerechten Strafe entgegensehen.
Bis dahin würde er aber noch eine sehr persönliche Rechnung
mit ihr begleichen müssen. Wieder auf der High Street, begann er sich nach einer Schnei-
derei umzusehen, die er glücklicherweise auch nicht lange su- chen musste.
Die Glocke über der Tür läutete, als er den Laden betrat, und Ethan sah hinter einem Tisch eine korpulente Frau mit viel zu stark geschminkten Wangen stehen, die nun auf ihn zukam und ihn begrüßte.
„Guten Morgen, Sir. Womit kann ich Ihnen dienen?"
„Ich möchte eine Dame neu ausstatten. Ihr Gepäck ging wäh- rend der Reise verloren, und sie hat nur noch das eine Kleid, das sie derzeit trägt. Ich hoffe, dass Sie mir helfen können." „Aber natürlich! Kommen Sie einfach mit der Dame vorbei, dann nehme ich ihre Maße, und in ein paar Wochen ..."
„Wir legen heute Nachmittag bereits wieder ab. Ich brauche die Kleider bis dahin."
Ihr Gesicht begann sich unter der Schminke hektisch zu rö- ten. „Nun ... das ist ganz unmöglich! In so kurzer Zeit kann ich ja nicht einmal ein einziges Kleid anfertigen."
„Ich weiß, dass ich nahezu Unmögliches verlange, aber ich werde Sie dafür gut bezahlen. Sie bekommen von mir das Dop- pelte dessen, was Sie sonst berechnen."
„Das ist keine Frage des Geldes, Mr. ...?"
„Captain Sharpe. Mein Schiff, die Sea Devil, liegt in der Bucht vor Anker." Er hatte kurz überlegt, ob er von seinem Titel, Marquess of
Weitere Kostenlose Bücher