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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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er die Wohnungstür zuknallt. Joy stöhnt auf, doch sie erwacht nicht, und Sibylle sagt: »Ich habe Männer mit Handtäschchen nie leiden können.«
    »… und mit Goldketten und karierten Socken und braunen Halbschuhen«, fügt Anna hinzu. Dann sehen sie sich an und beginnen zu lachen, als ob nichts geschehen sei, das ernst genommen werden sollte. Sibylle hält ihren Bauch, in dem etwas wächst, das ihr Sorgen bereitet und das sie lieben könnte. Das eine geht nicht ohne das andere, so viel ist sicher. Sie lässt sich auf die Couch fallen und lacht noch immer, als Annas Handy klingelt.
    Es ist der Bulle, und er ist wütend, sodass sich Annas heitere Unzurechnungsfähigkeit in nichts auflöst. »Der kleine Glatzkopf hat mich angelogen«, sagt Johannes Täufer. »Joy war nicht in der Wohnung. Und ich habe das seltsame Gefühl, dass Sie wissen, wo sie sich aufhält.«
    »Es trügt«, sagt Anna und blickt auf die Schlafende. Schon wieder kommt ihr das Wort Engel in den Sinn, und Polizisten darf man ungestraft anlügen. Marlowe hat es ständig getan. Er war ein Mann. Eine Kunstfigur. Einer dieser gebrochenen Helden, die Frauen so lieben. Anna ist keine Heldin. Diese Illusion hat sie nie genährt.
    »Ich bin so verrückt nach Ihnen, ich könnte Ihnen sämtliche Knochen brechen«, sagt Johannes Täufer in das lange Schweigen. Und sie legt auf, weil es Sätze gibt, auf die keine Antwort folgen kann.
    »Was hat er gesagt?«
    Anna sieht Sibylle an. »Dass er verrückt genug sei, mir sämtliche Knochen zu brechen.« Nur eine kleine Variation, vielleicht hat er es auch so gesagt, und sie hat ihn missverstanden, weil die Verbindung schlecht war.
    »Mit welchen Kerlen lässt du dich eigentlich ein? Kannst du nicht sein wie andere Frauen? Heiraten. Kinder kriegen. In Frust und Langeweile dahinsiechen, bis der Richter dich scheidet?… Ist der Bulle verheiratet?«
    »Er ist ledig. Weil er Polizistenfrauen nicht mag. Sagt er. Wir müssen Lily wegbringen. Und Joy auch. Er ist zu dicht an mir dran. Und ich wette, dass er schon vieles über mich weiß. Und dann kennt er auch dich und die Kneipe. Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen.« Anna hat es bereits getan. Aber sie weiß, dass diese Freundschaft einiges aushält. Vielleicht sogar ein gemeinsames Kind…
    Sibylle sieht verlangend auf Annas Zigarette. Sie raucht nicht mehr. Auch eine Art von Entscheidung fürs Leben. »Ich liebe Schwierigkeiten, Anna. Dann fühle ich mich so lebendig. Und während du telefoniert hast, ist mir mein Psychiater eingefallen. Daniel. Er hat seine Praxis in Kreuzberg. Wir könnten Lily zu ihm bringen, zumindest vorübergehend. Er ist wirklich sehr nett und außerdem schwul.«
    »Was hat er dann mit dir gemacht?«
    Die Freundin beginnt zu lachen. »Ich war eine Art Therapie. Hat aber nicht funktioniert. Er wollte es bis zur Hetero-Sexualität bringen, aber unsere Veranstaltungen waren so traurig, dass wir auf halber Strecke aufgegeben haben. Trotzdem schuldet er mir einen Gefallen. Soll ich ihn anrufen?«
    Anna nickt und sieht zu Joy hin. »Ich muss mit ihr reden, aber sie spricht nur Polnisch und Russisch und ein bisschen Englisch. Ich werde Fjodor fragen, ob er sie nicht doch aufnehmen kann, zumindest vorübergehend. Hast du Bargeld im Haus?«
    »In der Kasse sind ein paar Scheine. Sag Freddy, er soll sie dir geben. Ich ruf inzwischen meinen gütigen Psycho an.«
    Gott segne sie, denkt Anna, während sie die Treppe hinunterläuft. Ohne Schuhe fühlt sie sich freier. Sie sollte nicht so viel Geld für Schuhe ausgeben. Das denkt sie so lange, bis sie in eine Glasscherbe tritt, die vor der Innentür zur Kneipe auf sie gewartet hat. Anna schreit auf, inspiziert eine kleine, doch relativ stark blutende Wunde am großen Zeh und zieht eine Blutspur bis hinter die Theke, wo Freddy Bier für eine Runde Gäste zapft, die aussieht, als wäre sie einem Matrix-Film entsprungen.
    »Filmfuzzis«, flüstert Freddy, und Anna trägt ihm, ebenso leise, Sibylles Wunsch vor. »Aber nur die Fünfziger, das Kleingeld brauche ich noch«, sagt Freddy und öffnet die Kasse. »Fjodor hat übrigens die Speisekarte rauf- und runtergegessen. Nach Bier und Wein ist er jetzt beim Schnaps gelandet. Du schuldest uns weitere hundertfünfzehn Euro, Süße. War er in einem früheren Leben ein Kamel, das auf Vorrat fressen kann?«
    »Das hab ich gehört«, ruft Fjodor, erhebt sich von seinem Stuhl und kommt zur Bar. »Noch ein Schnaps zum Abwinken, Freddy. Die Lady zahlt

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