Mary Poppins
haben gern ein bißchen Gesellschaft. Und wir haben nicht oft Gelegenheit, mit einer feschen, jungen Dame wie Sie – « Nach einem Blick auf Mary Poppins’ Gesicht brach er ab, denn ihre Miene war einfach zum Fürchten. Der Metzger wünschte, eine Spalte solle sich im Boden öffnen und ihn verschlucken.
»Aber natürlich – «, stotterte er und wurde noch viel röter als sonst. »Wenn Sie’s eilig haben, natürlich. Zwei Pfund, sagten Sie? Von der besten? Recht haben Sie.«
Er nahm von den Würsten, die wie Girlanden im Laden hingen, eine besonders lange vom Haken, schnitt ein ellenlanges Stück ab – legte es im Ring zusammen und wickelte die Wurst erst in weißes und dann in braunes Papier. Das fertige Päckchen schob er Mary Poppins über den Hackklotz zu.
»Und was noch?« fragte er erwartungsvoll, noch ganz rot.
»Danke, nichts weiter!« antwortete Mary Poppins frostig.
Sie nahm die Wurst, drehte den Kinderwagen rasch um und schob ihn so nachdrücklich zum Laden hinaus, daß dem Metzger klar wurde, wie schwer er sie beleidigt hatte. Trotzdem warf sie im Vorbeigehen einen Blick ins Schaufenster, um im Spiegel ihre neuen Schuhe zu begutachten. Sie waren aus hellbraunem Ziegenleder, mit zwei Knöpfen, sehr schick.
Jane und Michael trotteten hinter ihr her und überlegten, ob sie nicht bald mit ihrer Einkaufsliste zu Ende sei, aber nach einem Blick in ihr Gesicht wagten sie nicht, danach zu fragen.
Mary Poppins blickte die Straße hinauf und hinunter, tief in Gedanken versunken, dann, als falle ihr plötzlich etwas ein, sagte sie kurz: »Fischhändler!« Sie schob den Kinderwagen in den Laden neben dem Metzger.
»Eine Seezunge, anderthalb Pfund Heilbutt, eine Büchse Krebse und einen Hummer!« verlangte sie, und zwar so rasch, daß nur jemand, der solche Bestellungen gewohnt war, sie überhaupt verstehen konnte.
Im Gegensatz zum Metzger war der Fischhändler ein langer, dünner Mann, so dünn, daß von vorn gesehen nichts an ihm dran war, sondern nur von der Seite. Er sah so trübselig drein, daß man das Gefühl hatte, entweder habe er soeben geweint, oder er werde es gleich tun. Jane meinte, vielleicht käme es von einem geheimen Kummer, der ihn schon von Kind auf quälte, und Michael dachte, der Fischhändler habe als Kind wohl nur Brot und Wasser bekommen und könne das einfach nicht vergessen.
»Sonst noch was?« fragte der Fischhändler, nicht besonders zuversichtlich, wie sein Ton verriet.
»Heute nicht«, sagte Mary Poppins.
Der Fischhändler schüttelte trübselig den Kopf und sah keineswegs überrascht aus. Er hatte sowieso gewußt, daß nichts mehr dazukommen würde.
Leise hüstelnd machte er das Paket fertig und legte es in den Kinderwagen.
»Schlechtes Wetter heute«, bemerkte er und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Glaub nicht, daß es überhaupt noch Sommer wird – übrigens haben wir noch nie einen gehabt. Sie sehen auch nicht gerade blühend aus«, wandte er sich an Mary Poppins.
Mary Poppins warf den Kopf hoch.
»Behalten Sie Ihre Meinung für sich!« sagte sie barsch und eilte zur Tür, wobei sie den Kinderwagen so ungestüm vorwärts stieß, daß er an einen Sack mit Austern bumste.
»So eine Unverschämtheit«, hörten Jane und Michael sie sagen. Auch bemerkten sie deutlich, wie sie auf ihre neuen Schuhe schaute und dachte: >nicht gerade blühend<, in solch nagelneuen, braunen Ziegenlederschuhen mit zwei Knöpfen! Nein, so was!
Draußen auf dem Bürgersteig blieb sie stehen, blickte in ihre Liste und strich aus, was sie schon eingekauft hatte. Michael trat von einem Fuß auf den andern. Er fragte ungeduldig:
»Mary Poppins, gehen wir denn nie mehr nach Hause?«
Mary Poppins drehte sich um und betrachtete ihn mit sichtlichem Widerwillen.
»Du wirst es erwarten können«, antwortete sie kurz und faltete die Liste zusammen. Michael wünschte, er hätte nichts gesagt.
»Du kannst ja heim, wenn du willst«, sagte sie von oben herab. »Wir gehen jetzt Pfefferkuchen kaufen.«
Michael zog ein langes Gesicht. Hätte er doch bloß den Mund gehalten! Er hatte nicht geahnt, daß am Schluß der Liste Pfefferkuchen standen.
»Dort ist dein Weg«, sagte Mary Poppins und zeigte in die Richtung des Kirschbaumwegs. »Daß du mir nicht verlorengehst!« fiel ihr noch nachträglich ein.
»Ach nein, Mary Poppins, bitte nein! So hab ich’s nicht gemeint, wirklich nicht. Ich – ach, Mary Poppins, bitte – «, jammerte Michael.
»Nimm ihn doch mit«, bat Jane. »Ich will auch
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