Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mary Poppins

Mary Poppins

Titel: Mary Poppins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela L. Travers
Vom Netzwerk:
gar nicht da«, meinte Michael.
    »Freilich ist sie da«, sagte Jane. »Sie ist immer da, seit jeher.«
    Sie gingen den Ludgate Hill hinauf und waren auf dem Weg, ihren Vater in der Stadt zu besuchen. Denn er hatte heute morgen zu Mistreß Banks gesagt:
    »Meine Liebe, wenn’s nicht regnet, könnten Jane und Michael vielleicht heute zu mir ins Büro kommen – wenn es dir recht ist, natürlich. Ich glaube fast, ich würde mich gern zu Tee und mürben Brezeln einladen lassen, und ich kann mir nicht oft ein solches Vergnügen erlauben.«
    Mistreß Banks hatte erwidert, sie wolle es sich noch überlegen. Aber den ganzen Tag über machte sie, obwohl Jane und Michael sie voll Spannung beobachteten, nicht den Eindruck, als überlege sie sich’s überhaupt. Nach ihren Reden zu schließen, dachte sie nur über die Wäscherechnung nach und über Michaels neuen Mantel, und darüber, wo wohl Tante Flossies Adresse stecke, und warum diese verdrehte Mistreß Jackson sie auf den zweiten Donnerstag im Monat zum Tee eingeladen hatte, wo sie doch wußte, daß dies gerade der Tag war, an dem Mistreß Banks zum Zahnarzt mußte.
    Doch plötzlich, als sie schon überzeugt waren, daß Mistreß Banks überhaupt nicht an Mister Banks Vergnügen dachte, sagte sie: »Nun, Kinder, steht doch nicht da und starrt mich an. Zieht euch an. Ihr geht doch in die Stadt, um mit eurem Vater Tee zu trinken. Habt ihr’s denn vergessen?«
    Als ob sie das hätten vergessen können! Denn es war nicht nur der Tee, der wichtig war. Da war noch die Vogelfrau, und die war der Gipfel des Vergnügens. Deshalb gingen sie jetzt in heller Aufregung den Ludgate Hill hinauf.
    Mary Poppins ging zwischen ihnen, hatte ihren neuen Hut auf und sah sehr fein aus. Hin und wieder warf sie einen Blick in ein Schaufenster, nur um sich zu vergewissern, daß der Hut noch da war und die rosa Rosen sich nicht in gewöhnliche Ringelblumen verwandelt hatten.
    Jedesmal, wenn sie deshalb stehenblieb, seufzten Jane und Michael, wagten aber nicht, etwas zu sagen, aus Furcht, sie könnte dann noch länger ins Schaufenster schauen, nach allen Seiten sich drehend, um festzustellen, welche Haltung am kleidsamsten sei.
    Aber schließlich kamen sie doch zur Sankt-Pauls-Kathedrale. Vor langer Zeit war sie von einem Mann erbaut worden, der einen Vogelnamen hatte. Deshalb leben so viele Vögel in der Nähe der Kathedrale, und deshalb lebt dort auch die Vogelfrau.
    »Da ist sie!« schrie Michael plötzlich und trippelte vor Aufregung auf den Fußspitzen.
    »Man zeigt nicht mit dem Finger!« sagte Mary Poppins und warf vor dem Fenster eines Teppichladens einen letzten Blick auf die rosa Rosen.
    »Sie sagt es! Sie sagt es!« jauchzte Jane und mußte an sich halten, sonst wäre sie vor Entzücken zersprungen.
    Und sie sagte es wirklich. Die Vogelfrau war da und sagte: »Füttert die Vögel, einen Zweier die Tüte! Füttert die Vögel, einen Zweier die Tüte! Füttert die Vögel, einen Zweier die Tüte!« Immer und immer wieder dieselbe Leier, mit einer hohen, singenden Stimme, so daß es wie ein Lied klang.
    Und während sie es sagte, hielt sie den Vorübergehenden kleine Tüten mit Brotkrumen hin.
    Um sie herum flogen die Vögel, sie kreisten und hüpften, schossen herab und flogen auf. Mary Poppins nannte sie immer »eitle Spatzen«, weil sie sich einbildete, alle Vögel seien so eitel wie sie. Aber Jane und Michael wußten genau, es waren keine Spatzen, es waren Tauben. Es gab graue, betuliche und schwatzhafte Tauben wie Großmütter, braune mit heiseren Stimmen wie Onkels und grünliche wie Väter, die immer gurrten: »Nein, ich hab kein Geld heute.« Und die törichten, ängstlichen, zarten blauen Tauben waren wie Mütter. So jedenfalls dachten Jane und Michael darüber.
    Sie flogen immerzu rund um den Kopf der Vogelfrau, während die Kinder näher kamen, aber plötzlich, als wollten sie sie necken, schossen sie durch die Luft und setzten sich auf die Spitze von Sankt Paul, lachten und drehten die Köpfe weg und taten, als ob sie die Vogelfrau nicht kannten.
    Heute war es an Michael, eine Tüte zu kaufen, das letztemal war Jane an der Reihe gewesen. Er trat auf die Vogelfrau zu und hielt ihr zwei Pennies hin.
    »Füttert die Vögel, einen Zweier die Tüte!« sagte die Vogelfrau, während sie ihm eine Tüte mit Krumen in die Hand gab und das Geld in die Falten ihres weiten, schwarzen Rockes versenkte.
    »Warum hast du nicht Einpennytüten?« fragte Michael. »Dann könnte ich zwei

Weitere Kostenlose Bücher