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Mary Poppins

Mary Poppins

Titel: Mary Poppins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela L. Travers
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war das Sprungseil. Sicherlich war das Paket aufgegangen.
    Noch einen Augenblick sahen sie sie die luftige Treppe hinauftänzeln, dann entzog eine Wolkenwand sie ihren Augen. Sie wußten trotzdem, daß sie sich dahinter befand. Der helle Schein verriet es, der durch die Wolkenwand brach.
    »Jetzt schlägt’s dreizehn!« sagte der Schutzmann. Er starrte immer noch zum Himmel hinauf und kratzte sich den Kopf unterm Helm.
    »Das könnte schon sein!« sagte Mary Poppins so bissig, daß man hätte glauben können, sie ärgere sich über den Schutzmann. Aber Jane und Michael ließen sich durch den Tonfall nicht täuschen. Sie hatten in ihren Augen etwas glänzen gesehen: Hätte sich’s nicht um Mary Poppins gehandelt, so hätte man es Tränen genannt.
    »Haben wir uns das alles nur eingebildet?« fragte Michael, als sie heimkamen und die ganze wunderbare Geschichte ihrer Mutter erzählten.
    »Vielleicht«, meinte Mistreß Banks. »Wir bilden uns oft recht seltsame Dinge ein, mein Liebling.«
    »Aber was ist dann mit Mary Poppins’ Handschuhen?« fragte Jane. »Wir haben doch gesehen, daß sie sie Maja geschenkt hat. Und jetzt hat sie sie nicht mehr. Also muß es doch wahr sein!«
    »Was, Mary Poppins!« rief Mistreß Banks. »Deine besten Handschuhe, die mit dem Pelzbesatz! Die hast du weggeschenkt?«
    Mary Poppins schnüffelte.
    »Meine Handschuhe sind meine Handschuhe, und ich mache mit ihnen, was ich will!« erklärte sie von oben herab. Sie rückte ihren Hut gerade und ging in die Küche hinunter, um Tee zu trinken.
12. Kapitel
    Westwind
    Es war der erste Frühlingstag.
    Jane und Michael wußten es sofort, als sie Mister Banks in seiner Badewanne singen hörten. Es gab nur einen Tag im Jahr, an dem er das tat.
    Nun, an diesen Morgen würden sie sich ihr Lebtag erinnern. Zunächst durften sie zum erstenmal mit den Erwachsenen frühstücken – und dann konnte Mister Banks seine schwarze Mappe nicht finden.
    »Wo ist meine Mappe?« rief Mister Banks und raste in der Diele herum wie ein Hund auf der Jagd nach seinem Schwanz.
    Gleich darauf suchte das ganze Haus – Ellen und Mistreß Brill und die Kinder. Sogar Robertson Ay machte eine außergewöhnliche Anstrengung und rannte zweimal durch alle Räume. Schließlich entdeckte Mister Banks die Mappe in seinem Arbeitszimmer. Er stürzte damit in die Diele. In hocherhobenen Händen hielt er sie den andern entgegen.
    »Hört!« sagte er, als wollte er eine Rede halten. »Meine Mappe liegt immer am selben Platz, nämlich hier! Auf dem Schirmständer! – Wer hat sie ins Arbeitszimmer gelegt?« fragte er wütend.
    »Du selbst, mein Lieber, als du gestern abend die Papiere für die Einkommensteuer herausnahmst«, sagte Mistreß Banks.
    Mister Banks warf ihr einen so tief verletzenden Blick zu, daß sie wünschte, sie wäre weniger taktlos gewesen und hätte gesagt, sie selbst habe sie dorthin gelegt.
    »Hm – hmmmm!« machte er und schneuzte sich gründlich die Nase. Dann nahm er seinen Mantel vom Haken und ging zur Eingangstür.
    »Hallo, die Papageientulpen haben angesetzt«, sagte er ein wenig versöhnlicher. Er ging in den Garten hinaus und schnupperte in der Luft. »Hm, ich glaube, der Wind kommt vom Westen.« Er blickte zu Admiral Booms Haus hinunter, wo die Fernrohr-Wetterfahne kreiste. »Hab ich mir’s doch gedacht«, sagte er. »Westwind! Lind und warm. Ich werde keinen Mantel anziehen.« Damit nahm er seine Mappe und fuhr zur Stadt.
    »Hast du gehört, was er gesagt hat?« Michael packte Jane am Arm.
    Sie nickte. »Es ist Westwind«, sagte sie langsam.
    Weiter verloren sie darüber kein Wort, aber ein Gedanke hatte sich in ihnen geregt, den sie schleunigst wieder zu unterdrücken suchten. Tatsächlich vergaßen sie ihn bald wieder, denn alles schien wie immer, und die Frühlingssonne machte das Haus so wunderbar hell, daß es keinem mehr einfiel zu behaupten, es brauche einen neuen Anstrich und neue Tapeten. Ganz im Gegenteil, sie waren alle der Ansicht, es sei das schönste Haus am Kirschbaumweg.
    Aber das Unheil begann nach dem Mittagessen.
    Jane war unten im Garten, um Robertson Ay zu helfen. Eben hatte sie eine Reihe Radieschen gesät, als sie im Kinderzimmer Lärm hörte und auf der Treppe den Klang von eiligen Schritten. Gleich darauf erschien Michael, keuchend und mit hochrotem Gesicht.
    »Sieh doch, Jane!« rief er und hielt ihr seine Hand hin.
    Da lag Mary Poppins’ Kompaß! Die Scheibe drehte sich wild um den Pfeil, weil Michael aufgeregt mit der Faust

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