Masala Highway
sichern. Glück bringende Svastikas 2 , das Om-Zeichen, gegebenenfalls Shiva-Dreizacke, Dämonengesichter mit aufgeblasenen Backen und Flügel unterstützen dieses Ansinnen. Der Fahrer eines solchen Fahrzeugs ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Hindu – in Kerala trifft man auch auf christliche Versionen, in Nordindien auf muslimische Varianten, die dann mit Kreuzen beziehungsweise arabischer Schrift verziert sind. Brummis mit vedischem Schutz sind allerdings am häufigsten vertreten. Eine ausführliche Puja, ein durch einen Brahmanen vorgenommener Opfer- und Segnungsvorgang, wird in der Regel nach dem Kauf eines Fahrzeugs durchgeführt – und in etwas kleinerer Form vor Reiseantritt wiederholt. Mitteleuropäische Agnostiker mögen das belächeln. Aber vielleicht würden die Unfallraten in Europa sinken, wenn jeder Fahrer, bevor er sich an das Steuer setzt, erst für einen Moment in sich ginge, und das Endliche seiner selbst und die Chancen einer Wiedergeburt überdächte?
Mit ein bisschen Farbe ist es bei vielen Lastern nicht getan: Chromglitzernde Gitter zieren das Äußere der Fahrerkabine, Gestänge bieten Lametta in allen Farben Halt, und die Hupe ist oft nicht nur laut, sondern spielt ganze Tonfolgen, gerne auch ein paar Takte eines bekannten Liedes. Die bei uns oft verwendeten Lichtorgeln und Leuchtschriften sind hingegen weniger verbreitet: Nachts fahren Lastwagenfahrer ungern – man sieht die Schlaglöcher nicht – und tagsüber ist es zu hell, als dass eine Leuchtdiode bemerkt werden würde. Am Rand indischer Fernstraßen sieht man immer wieder Stände, die die dringend benötigte Zusatzausrüstung anbieten. Besonders beliebt: schwarze Bommelketten, die an die Außenspiegel gehängt werden. Nähert man sich einem so ausgestatteten Ungetüm, sieht man die Bewegung der Bommel durch den Fahrtwind, lange bevor die Bewegung des Lasters selbst sichtbar ist. Bei der Annäherung von hinten kommt noch ein weiterer Effekt hinzu: Die pendelnden Bommel täuschen die Aufund Abbewegung eines Arms vor. Sie imitieren dabei die Zeichen der Besatzung eines Fahrzeugs, die auf diese Weise vor Gegenverkehr warnt – nicht zu Verwechseln mit einem ausgestreckten Arm, der den Blinker ersetzt und einen Richtungswechsel signalisiert. Blinklichter haben die Laster auch, aber niemand würde auf die Idee kommen, damit irgendetwas auf den Verkehr Bezogenes anzuzeigen.
Mit dem Überholen von Lastern ist es so eine Sache. Vor einem Überholvorgang ist es zu empfehlen, laut und vernehmlich zu hupen – und jedes Brummiheck, das etwas auf sich hält, ist mit einem entsprechenden Hinweis in lateinischer Schrift versehen: „Horn Please!“, genauso wie mit der Erinnerung „Stop!“, die Linksüberholer bremsen soll. „Ich überhole einen Laster erst, wenn ich den Beifahrer winken sehe“, erklärte mir Maheesh, mein Fahrer. – „Und wenn er nicht winkt?“, fragte ich zurück. „Dann hupe ich noch mal und warte auf ein Signal.“ Ich bin Maheesh in vielen Situationen für diese Genügsamkeit dankbar gewesen. Schlechte Sicht – der Straßenstaub, die Dämmerung, der Regen – macht Überholen gefährlich, oder die erwähnten Bommel werden mit einem Wink verwechselt. Bei Lastern, die so überladen sind, dass die Fahrerkabine von hinten nicht mehr zu sehen ist, kann man ein Handzeichen kaum erkennen. Eindrucksvolle Ausmaße erreichen die Transporte von gehäckseltem Tierfutter. Das ist zwar recht leicht, wird aber so auf die Ladefläche gepackt, dass der Laster gut das Doppelte seiner eigentlichen Breite einnimmt. Da die meisten Zugmaschinen deutlich untermotorisiert sind, fahren sie sehr langsam; bergan sind 40 Stundenkilometer flott. Ein Reisebus, der selbst kaum beschleunigen kann, hat auf einer engen, kurvigen Straße kaum eine Möglichkeit zu überholen. Aber auch in einem schnellen Auto ist es in so einer Situation besser, wenn der Fahrer über eine Eigenschaft verfügt, die auch Maheesh glücklicherweise auszeichnet: Geduld. Indische Könige der Straße haben ein Herz für die, die ihnen hinterherhupen.
Für kürzere Distanzen werden neben Ochsenkarren auch Tuk-Tuks verwendet. Letztere sind Dreiräder, die als Zugmaschine einen Zweitaktmotor eingebaut haben – von dessen Klang die Fahrzeuge ihren Namen haben. Eigentlich sind es Motorroller mit Fahrerkabine und Ladefläche – zu erkennen nicht zuletzt daran, dass der Fahrer statt mit einem Lenkrad mit einer Lenkstange steuert. Größere Versionen haben stärkere
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