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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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zu zeigen, dass es geschmeckt hat.
    Sitzordnung im Bus beachten . Besonders in ländlichen Gegenden vermeiden es die Leute, sich neben Fremde des anderen Geschlechts zu setzen. In Bussen sind die vorderen Sitzbänke häufig zumindest theoretisch für Frauen reserviert. Ein Blick auf die anderen Passagiere zeigt sehr schnell, wie emanzipiert es jeweils zugeht. Setzte ich mich in einem Bus mit Geschlechtertrennung als Mann neben eine Frau, wäre das eine grobe Unhöflichkeit. Ein Inder würde dafür vielleicht eine Zurechtweisung erhalten, einem dem Augenschein nach Fremden gegenüber reagiert eine Frau meistens, indem sie wort- und blicklos aufsteht und sich einen anderen Platz sucht – mit einem entsprechenden Groll gegen den ungehobelten Ausländer. Als Frau darf man es in einem solchen Bus als Affront verstehen, wenn sich ein Mann auf dem Platz neben einem breitmacht, und kann sich der Solidarität der Mitreisenden normalerweise sicher sein, wenn man sich darüber beschwert.
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    1 Batakh: Ente, Uumdt bzw. Uuschtr: Kamel.
    2 Raja: König, Herrscher; Maharaja: großer König.
    3 Namaskar/Namaste: Willkommens- und Abschiedsgruß, sowohl als Geste als auch in gesprochener Form.
    4 Siehe Kapitel „Die Straße der Frauen“.

Kamelkarren und Blechlawinen
    Schnurgerade zieht sich der Asphaltstreifen durch die Landschaft. Ich habe einen hervorragenden Blick auf die Straße, denn ich sitze ganz links vorne, direkt hinter der Windschutzscheibe. Mein Platz ist ein Brett über dem Radkasten an der Fensterseite, und wenn ich die Füße ausstrecken könnte, würden sie auf den Motorblock treffen, der mich vom Fahrer trennt. Im Fußraum liegt aber schon mein Rucksack.
    Eigentlich wäre es mir lieber gewesen, weiter hinten zu sitzen. Der Mann, der an der Tür gleich hinter mir steht, hat mich und das Ungetüm auf meinem Rücken angesehen und mich schnell nach vorne verwiesen. Logisch, denn dieser Bus hat keinen Gepäckraum im unteren Teil der Karosserie, und in die Ablagefächer über den Sitzreihen passen nur schmale Taschen.
    Aber dafür habe ich einen Logenplatz – oder ist es eine Bühne? Eine Busfahrt kann in Indien sehr lange dauern, und die Landschaft zwischen Bikaner und Jaisalmer in Rajasthan ist ziemlich eintönig. Da ist ein Westler mit zu viel Gepäck und einem orangefarbenen Turban auf dem Kopf einen Blick wert. Mit großer Neugier betrachten mich die Passagiere von ihren engen Sitzbänken aus, als ich einsteige. Das ist ja ganz schön, und mit Freuden würde ich alle Fragen, die mir der Busfahrer stellt, beantworten. Geht leider nicht, da ich sie kaum verstehen kann. Die Klappe zum Motorblock zwischen uns ist offen, und die Maschine dieselt lauter, als er schreien kann. Immerhin begreife ich, dass ich meinen Rucksack nicht darauf legen soll – „bahut garam“, sehr warm. Deswegen also der unverstellte Blick in den Motor: Luftkühlung! Solchen andauernden Provisorien, vor allem wenn die Vehikel vom örtlichen Mechaniker so zusammengeschweißt sind wie dieses hier, begegnet man häufig. Ein Zugeständnis an fehlende Ersatzteile oder neue Maschinen, mit denen die normale Kühlung vielleicht ausreichen würde, und auch eines an das Klima im Bus: Es ist Mitte April, die Sonne brennt, und die weit geöffneten Fenster erzeugen nur eine Illusion von Kühle. Vielleicht würde es etwas helfen, die Motorabwärme nicht ins Innere des Busses zu führen, indem man die Klappe schließt. Mensch und Tier an Bord – hinten, auf der Rückbank, fahren ein paar Hühner in einem kleinen Käfig mit – nehmen die Extraheizung aber mit Gleichmut in Kauf. Alle Passagiere und der Busfahrer sind sich einig, dass das Wichtigste an einem Bus ist, dass er rollt. Immer noch besser, in einem fahrenden Backofen zu sitzen und sich über den Fahrtwind zu freuen, als bei einer Panne durch Überhitzung in der Sonne am Straßenrand zu stehen und zu warten, bis sich die streikende Maschine wieder abgekühlt hat.
    Busfahren in Indien ist aber auch in kälteren Jahreszeiten laut. Bei Fahrten in einfachen Überlandbussen wie diesem ist es eine gute Idee, Ohrstöpsel einzupacken. Die braucht man wegen des Motors und des ständigen Hupens. Bei den Deluxe-Coaches, die meist von privaten Transportunternehmen angeboten werden, kommt eine weitere Lärmquelle hinzu: Fernseher mit dröhnender Hindi-Musik.
    Ich nestele meine Wachspfropfen aus der Tasche und stopfe sie mir vor die Trommelfelle. Dröhnen und Hupen reduzieren sich auf

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