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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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Charakters. Das erlebt man, wenn man nicht nur im überlaufenen Colva 3 bleibt, immer wieder aufs Neue. Nicht zuletzt, wenn es ums Feiern geht – spätestens da merkt man, dass Goa nicht nur den Touristen zuliebe den Alkoholausschank mit für Indien ungewöhnlich wenigen Beschränkungen erlaubt.
    In einem guten Reiseführer sollten auch ein paar Tipps zu Orten stehen, wo man gut feiern kann. Bei der Recherche im Jahr 2008 wollte ich mich vor dieser Herauforderung nicht drücken und machte mich auf die Suche nach den wildesten Partys. In Indien so richtig abtanzen, warum nicht? Das ernüchternde Ergebnis vorab: Die große Full-Moon-Party am offenen Strand fand ich nicht. Von denen, die ich danach fragte – Barbesitzer, Fischer, Hotelmanager und viele Backpacker, die so aussahen, als hätten sie Spaß am Tanzen –, zuckten die meisten die Schulter, schickten mich zum nächsten Strand oder nuschelten etwas von „Police“ und „forbidden“. Sah ich zu spießig aus? Ein älterer Israeli, der mit seiner Hero 4 am gleichen Straßenkiosk hielt, um sich eine Flasche Benzin zu kaufen, nahm mir wenigstens diese Sorge: „Goa hat sich schon sehr verändert“, sagte er, während er die rosa Flüssigkeit in seinen Tank gluckern ließ. „Die meisten Orte, die früher für die lautesten Partys der Welt bekannt waren, werden nun um zehn dicht gemacht. Du fährst die ganze Nacht mit deinem Bike, bis du irgendwann einen Club findest, der der Mafia gehört, sodass es sich der Wirt leisten kann, die Bullen zu bestechen, und länger aufhat.“ Tatsächlich sind heute Partys mit lautsprecherverstärkter Musik nur bis zehn Uhr abends erlaubt, 2008 erließ der Fremdenverkehrsminister sogar ein Verbot für alle Feiern auf öffentlichem Grund. Zunächst begründeten die Behörden die Verbote mit dem Kampf gegen Drogen, nach den Anschlägen von Bombay Ende November 2008 sollte die Maßnahme die Gefahr neuen Terrors senken. Ein Club im Süden Goas setzt seinen Gästen Funkkopfhörer auf, um die Regelung zu umgehen, doch sonst wird das Gesetz akzeptiert. Die Goaner scheint die Einschränkung des Tourismus wenig zu stören. Die Erklärung ist einfach: Man freut sich in Goa über Gäste, hat aber kein Interesse an einem Massentourismus, der mehr Probleme als Nutzen bringt. Viele Resorts und Hotels werben mit gut gefüllten Swimmingpools, doch auf der Straße vor dem Eingang steht eine Schlange mit eimerbewehrten Leuten vor einem Tanklaster, weil die Wasserversorgung für die Privathaushalte regelmäßig zusammenbricht. Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Nicht nur ausnahmsweise, wenn das Netz überlastet ist. In weiten Teilen Goas, wie in vielen anderen Gegenden Indiens, drehen die Elektrizitätswerke den Bürgern zu bestimmten, vorher festgelegten Tageszeiten den Saft ab. Die Touristen in den großen Hotels merken davon nichts, entweder weil die Unternehmen sich den Strom reserviert haben, oder weil rechtzeitig die Generatoren in einem Schuppen vor dem Haus anlaufen. Müll und Umweltverschmutzung bringen weitere Probleme. Das Land hat zu wenig Fläche, als dass man die Abfälle aller Gäste – noch einmal: über zwei Millionen jährlich – einfach irgendwohin kippen könnte. Immobilien- und Grundstückspreise hatten vor der Finanzkrise ein Niveau erreicht, dass es Alteingesessenen selbst mit einem Gehalt westlichen Standards schwer machte, Wohnungen zu kaufen. Mit harten Drogen und ihren Konsumenten will ein Goaner erst recht nichts zu tun haben.
    So wie die protestierenden Schüler und Studenten von Youth for Goa ihr Land vor zu schnellen wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen schützen wollten, so sehr ist vielen Goanern an einem „sanften“ Tourismus gelegen. Wenn die Strände dabei etwas ruhiger werden, warum nicht.
    Allerdings: Gefeiert wird in Goa auch heute noch. Das Verbot für Musik ab zehn Uhr abends betrifft Privatgrund nicht, auch sonst gibt es anscheinend einige Ausnahmen. Gut möglich, dass diese, wie der Israeli auf dem Motorrad vermutete, häufig durch eine spontane Spende zustande kamen. Die Polizei in Goa hat keinen guten Ruf. Besonders das tragische Schicksal der 15-jährigen Britin Scarlett Keeling, die Anfang 2008 bei Anjuna unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und ermordet wurde, lenkte internationale Aufmerksamkeit auf die Zustände bei den Polizeibehörden. Die britischen Medien verdächtigten die Beamten, die Ermittlungen zu verschleppen. Ein schöner Superlativ, der in Verbindung mit dem Thema

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