Masala Highway
Korruption durch die indische Presse ging, lautet, dass Goa für Beamte, sie sich versetzen lassen wollen, bei der Angabe eines Zielortes ganz oben auf der Wunschliste steht. Nirgends seien die Bestechungsgelder höher. Vielleicht ist dies nur erfunden – glaubhaft ist es allemal. Baugenehmigungen, Drogenhandel, Lizenzen für Alkoholausschank: Sich für diese Dinge das Wohlwollen von Polizei und Behörden zu sichern, ist vielen Leuten eine Extrazahlung wert.
Zwei Gesetzeshütern Goas begegne ich eines Abends in Arambol im Norden Goas. Ich schlendere im Dunkeln durch den Sand zurück zu meiner Pension, über mir der Sternenhimmel, links dunkel der Palmenwald, rechts leuchten weiß die Schaumkronen der Wellen. Plötzlich sehe ich vor mir zwei Schatten, die auf mich zukommen. Als sie näher kommen, schaltet einer der Männer eine Stablampe an und richtet sie direkt auf mich. Was für ein Angeber, denke ich – da ruft einer der beiden: „Hello Sir, stop please – police“. Die beiden sind in Zivil gekleidet, zeigen aber zwei Plastikkarten vor, die ich im Schein ihrer Taschenlampe als Lichtbildausweise erkenne, auf denen auch etwas von Polizei zu lesen ist. Beide erklären mir dann sehr höflich, aber bestimmt, dass sie eine Drogenfahndung durchführen – und erst meine Personalien aufnehmen und mich dann durchsuchen werden. Ob ich irgendwelche Drogen mit mir führe? Wenn ja, solle ich es jetzt sagen, denn sollte später doch etwas gefunden werden, würde dies noch größere Probleme nach sich ziehen.
Der sachliche Ton hat mir inzwischen klar gemacht, dass dies kein Scherz ist. Es ist dunkel, ich bin allein auf diesem Strand, sie sind zu zweit – also verhandele ich nicht lange. Es folgt eine genaue Durchsuchung aller meiner Taschen bis hin zu meinem Bauchgürtel, in dem ich meine Kreditkarten und eine ziemlich geringe Summe Geld unter der Kleidung mit mir führe. Bevor einer der beiden in eine Tasche greift, fragt er jedes Mal, ob darin etwas Spitzes sei, und meine Geldbörse und den Gürtel untersuchen sie direkt vor meinen Augen. Was mache ich, wenn einer der beiden mir irgendetwas zusteckt? Wenn sie mir meine Papiere oder meine Kreditkarten klauen? Plötzlich nickt mir der Zivilfahnder zu, „sorry for the inconvenience“, und wünscht mir noch einen schönen Aufenthalt.
So positiv in der Rückschau auffällt, dass die Polizisten nicht einmal versuchten, mir irgendetwas abzunehmen oder unterzujubeln: Das Erlebnis gehört zu den wenigen üblen Erfahrungen, die ich in Indien gemacht habe. Für einen Urlauber wäre dies vielleicht der letzte Abend seiner Reise gewesen. So richtig begriff ich erst, was passiert war, als mir mein Wirt Ian beschrieb, wie es hätte laufen müssen: „Zuerst einmal – das Visum in deinem Pass zeigt, dass du Gast dieses Landes bist. Das sollte dich eigentlich vor Nachstellungen schützen“, sagt der Mann, selbst ein Einwanderer aus Australien, der sich hier niederließ. „Hat es aber nicht“, fährt er fort. „Gut, nehmen wir an, die beiden hatten einen begründeten Verdacht, vielleicht haben sie jemand anderen gesucht, der so ähnlich aussieht. Dann sollen sie dich hierher zum Hotel begleiten und dich wie zivilisierte Menschen bei Licht befragen.“ Bei den letzten Worten wird er so laut, dass die anderen Gäste zu uns herüberschauen. „Sag mal, die wollten wirklich nichts von dir? Than there's hope for this country – dann besteht ja noch Hoffnung für dieses Land. Dafür geb’ ich dir einen aus“, tröstet Ian mich schließlich. Ich nehme dankbar an und beschließe, das Erlebte möglichst schnell abzuhaken.
Sollten Nachtpatrouillen wie die, deren Opfer ich wurde, vor allem abschreckend wirken, dann erfüllen sie ihren Zweck. Einige Tage zuvor war ich, immer auf der Suche nach einer Full-Moon-Party, einem Tipp nach Chapora gefolgt. Das Dorf am Fuß eines Festungshügels, nicht weit von dem früheren Goa-Trance-Zentrum Vagator, sei immer noch ein Anziehungspunkt für späte Hippies und nimmermüde Raver. Als ich meinen Scooter durch die kleine Hauptstraße mit zwei- oder dreigeschossigen Häusern lenke, sehe ich ein paar Westler an einem Chai-Stand unter einem Baum sitzen. Bunte Klamotten, Rastas, Sieben-Tage-Bärte – ich bin am Ziel. Große Heiterkeit bricht aus, als ich nach Partys frage. „Geh doch mal da rüber, vielleicht hat der noch Platz im Bus“, sagt ein Typ mit Kopftuch und Sonnenbrille und zeigt auf die andere Seite des Platzes. „Nee, bleib hier“,
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