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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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deren Platine düster schimmert.
    Es riecht nach Kalk und alten Träumen.
    »Komm her zu mir«, lacht Popcorn heiser. Sie zerrt ihn weiter zu einer Bank, unter der sie einen Metallkasten hervorzieht. »Siehst du?«
    »Ein Koffer …« Der Teen beugt sich vor; gleichzeitig öffnet Popcorn die Schnappverschlüsse und schlägt den Deckel zurück. »Na, was sagst du?«
    »Wow. Ist ja ’ne ganze Apotheke.«
    »Und? Was willst du haben?« Ihre Stimme klingt plötzlich belegt: »Den kompletten ... Regenbogen?«
    »Zahlen muss ich nichts, wie?«
    Popcorn zwinkert ihm zu. »Geht auf’s Haus.«
    »Mensch, da ist doch ein Haken«, argwöhnt der Junge und tritt zurück. »Du willst mich auf was Komisches draufbringen.«
    »Quatsch, ich will dich vögeln!« Hastig schraubt Popcorn drei Gläser auf, drückt ihm Pillen in die Hand. »Jetzt mach schon, Kleiner, sonst such ich mir ’nen andern.«
    »Ich weiß nicht«, sagt er noch, bevor er die Pillen in den Mund steckt und schluckt.
    »Braver Junge.« Popcorn drückt seinen Arm. »Und diese gelbe hinterher.«
    ***
    Der Junge liegt betäubt am Boden. Seine Augen sind aufgerissen, weite Pupillen, die zur Decke raufstarren: nackter Beton als Leinwand für seinen Trip ins Paradies. Er atmet flach und stockend.
    »Ist er bereit?«, krächzt eine Stimme mit Kehlkopfverzerrer, ehe ein Schemen die letzten Stufen abwärts steigt – dürre Schultern, langes weißes Haar. In den Schatten ist sein Gesicht kaum zu erkennen, nur die Augen glänzen wie Transistoren, silbrig, aber stumpf.
    Popcorn weicht erst zurück, strafft dann die Schultern, tritt doch auf ihn zu. »Bist spät dran, Raven.«
    »Ich wurde aufgehalten«, dröhnt der Verzerrer aus seinem Hals. »Hat euch einer gesehen?«
    »Ja klar, die ganze Schutzwehr vom Viertel«, spuckt Popcorn aus; sie ballt die Hände zu Fäusten. Ihr Schlangentattoo leuchtet sandrot. »Was soll die bescheuerte Frage?«
    »Schon gut.« Raven lächelt mit langen Zähnen. »Wann hat er die gelbe geschluckt?«
    »Vor zehn Minuten«, sagt Popcorn und senkt den Kopf, um Raven nicht in die Augen zu schauen. »Ich ...«
    »Was?«
    »Ach, nichts.«
    Aus dem Mantel holt Raven eine umgebaute Mini-Konsole. Er geht zum Jungen und bückt sich, befühlt seine Doppelbuchse am Hals. »Billigmodell, schlampige Arbeit. Was hast du mir da angeschleppt?«
    »Die Alte hat dir nicht gereicht – jetzt sollte es was Frischeres sein. Und voilà: Da liegt es auf dem Silbertablett.«
    »Nur saubere Buchsen!«, dröhnt Raven. Sein Verzerrer übersteuert in den Höhen. »Wehe, mir reißt die Verbindung ab.«
    »Ach, wird schon nichts passieren …« Ihre Hände zittern; nervös schlägt sie das Haar zurück. »Pass auf, Raven, ich will diesen Dreck nicht mehr machen. Ab sofort bin ich raus, das war das letzte Mal.«
    »Popcorn, Popcorn, wirst du etwa nutzlos für mich? Muss ich dich an Quetzalcoatl zurückgeben?« Seine Augen: kaltes Blau, wie die Blitze eines Tasers vor dem Schock.
    »Nein, ich … Ach Scheiße, mach doch, was du willst!«
    »Wir reden später.« Raven schiebt dem Teen zwei Stecker in den Hals, worauf er sich selbst an die Konsole klinkt. Er drückt den Startknopf, wartet, hämmert Befehle in die Tastatur und –
    Holpriger Einstieg: Die Tesla-Neuronen sind zu neu, um ihn mit Vollgas durchzuleiten. Nervenblitze knistern schwarz und gefährlich, plötzlich eine Rückkopplung, die wie eine gerissene E-Gitarrensaite durch sein Hörzentrum schnalzt. Flackern. Schmerz. Raven kompensiert die Störungen, nimmt Anlauf, langsamer diesmal, und gleitet rein in den Thalamus des Jungen – weiter zur Amygdala.
    ***
    Draußen lehnt Popcorn an einem Stahlpfeiler, die Arme auf der Brust verschränkt, und beobachtet Ravens abstoßende Körperbewegungen, das Zucken der Beine, das Nicken des Kopfes in einem spastischen Rhythmus: auf und ab, auf und ab, wie bei einer Gliederpuppe.
    »Psycho«, faucht Popcorn, weil sie weiß, dass er sie nicht hören kann. »Bei dir oder bei ihm sein … weiß echt nicht mehr, was schlimmer ist.« Sie langt in ihren Stiefel, fummelt eine Packung Pinkstar heraus, nimmt eine Kippe und das Feuerzeug, raucht. »Lieber ’ne Hure als das hier.«
    Der rosa Dunst verteilt sich.
    Popcorn bläst eine zweite Rauchwolke aus, während ihre Gedanken zurückschweifen, in die Gasse der gefiederten Schlange ...
    ***
    Nebel aus Chemikalien und Dampf steigen von den Bordsteinen auf. An der Hauswand strahlt Liebesreklame, fast sakral in hellen, purpurnen Tönen.

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