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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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Zeit, bis ich die neuen Muskeln grob steuern kann, obgleich der Kreator typische Bewegungsmuster bei der Erschaffung eines Organismus berücksichtigt, die ich lange trainiert habe: Kriechen und Gehen, Fliegen und Springen, um sie grob einzuteilen – abkopiert von Insekten, von Wild, von Raubtieren, Vögeln, Fischen. Und vom Menschen; doch in den zweihundert Jahren, die ich jetzt unterwegs bin, hat mich der Kreator kein einziges Mal als Humanoiden geboren.
    Über einen Nervenimpuls öffne ich eine der kleineren Druckschleusen und setze meine klobigen Gliederfüße seitlich in Bewegung – Krebsgang. Durch die optischen Zellen, die wie verkrusteter Sand meinen Rücken bedecken, nehme ich die Umgebung verzerrt und lupenartig vergrößert wahr: den Reaktor, ich sehe die Statuslichter blinken, und die Datenbank als dunkler Block im Schatten der Kapsel. Nun bin ich in der Schleuse; warte, dass die Außenblende sich öffnet …
    ***
    Die beißende Kälte ist ein Schock, trotz Panzerung. Vor meiner Mission habe ich die Klimadaten geprüft, die mir einen Wert von -62° Celsius anzeigten, jedoch wird die Temperatur seit meiner Ankunft noch weiter gesunken sein: Es dämmert; eine dichte, kobaltblaue Wolkendecke über den Schneehügeln in der Entfernung.
    Ich nutze meinen Rezeptor für Magnetfelder, um mir die Landestelle zu merken, ehe ich mich, dem Schneesturm trotzend, zu einem Felsen aufmache, wo ich kristallartige Gebilde wahrnehme, die schwache elektrische Impulse aussenden – vielleicht eine Lebensform. Mit eigener Kommunikation. Für Entdeckungen solcher Art bin ich damals gestartet, voller Euphorie und Angst, auch wenn ich diese Gefühle jetzt nicht nachempfinden kann, nicht hier draußen in der feindlichen Umgebung des Eisplaneten.
    Es kostet mich Kraft, das Schneefeld zu überqueren, dessen Kälte an meiner Bauchplatte saugt; die Verwehungen sind porös und lassen mich einsacken, bis ich den Felsen, die Kristalle berühren kann. Meine Fühler übermitteln mir eine konstante Sinusfrequenz, die ansteigt, dann nachlässt. Ein Signal? Eine Sprache? Das wird die Analyse ergeben. Ich lege die Daten im Gedächtnisknoten ab, drehe den Körper – mache mich auf den Rückweg.
    Kaum noch Licht.
    Die Temperatur ist mittlerweile so niedrig, dass zwei meiner Beine eingefroren sind und brechen. Jede Bewegung, jeder Schritt schmerzt. Zwar sehe ich die Kapsel, wie sie als silberner Dorn in den Himmel aufragt, doch falls mein Panzer noch weiter auskühlt, werde ich die Luke nicht mehr erreichen. Aufregung oder Angst spüre ich keine – mein Geist bleibt klar und kontrolliert; und er ist es auch, der mich vorwärts drängt, rein mechanisch, wie eine Maschine.
    ***
    Der Kreator hat mich aufgenommen, verflüssigt. Schwerelos treibe ich durch die seidige Röte des Tanks, bin wieder körperlos; ich habe weder Kopf noch Hände, keine Beine, keinen Brustkorb. Keine Augen als Fenster der Seele. Schon oft habe ich mich gefragt, wie man sich selbst empfinden würde, wenn das Gehirn an einer anderen Stelle säße, nahe dem Herzen, zum Beispiel, geschützt durch die Rippen. Hier, ohne Leib, winde ich mich in mir selbst wie ein Ammonit mit Goldenem Schnitt – drehe mich immer stärker, nach innen, konzentriere mich auf einen einzigen geistigen Punkt, um dann zu explodieren, in tausend Splittern an Raum zu gewinnen.
    Ich warte, bis die Analyse vollständig ist, bevor ich das endgültige Resultat in die Datenbank einspeise:
    Keine Anzeichen für einen Code, den man als Sprache interpretieren könnte, und sei sie noch so rudimentär … Kein Leben auf Eisplanet *//352-36.
    Mission beendet.
    ***
    *//432-47
    Durch diesen unterirdischen Ozean zu tauchen, ist so ähnlich wie im Tank, nur wurden mir Brustflossen gegeben, die ich in sanfter Welle auf und ab schlage wie Flügel. Ich gleite durch die Dunkelheit, nicht das geringste Licht – keine fluoreszierenden Fische, keine Leuchtalgen; nicht einmal einfache Mikroben, die als Nahrung taugen würden.
    Erneut ein Fehlschlag, der elfte in Folge.
    Und wieder Jahrzehnte verloren.
    Die Kälte des Ozeans setzt mir zu, auch fühle ich die leicht ätzende Wirkung von Wasserstoffperoxid, mit dem das Wasser durchsetzt ist – es wird eine sehr hohe Sauerstoffkonzentration aufweisen.
    Und trotzdem kein Leben.
    In einer langen Schleife will ich schon umkehren, als ein Gespinst aus Molekülen meine Haut streift und die Sinnesknospen stimuliert: ein Wirkstoff, hoch verdünnt, doch ich kann ihn riechen, sehen,

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