Maschinenkinder
Mädchen stehen davor und warten auf Kundschaft, jedes mit einer Tätowierung am Bein – Klapperschlangen, Mambas und Vipern.
»Was für ’ne miese Nacht«, raunt eine asiatische Matrone; ihre Brüste schlenkern bei jeder Bewegung.
»Vögeln wohl heute die eigenen Frauen«, sagt Popcorn, die in einer Ecke steht und raucht. »Aber ich mach noch zwei Stunden …«
»Wär auch besser für dich, Schätzchen. Bei Neuen hat Quetz ständig den Taser parat.« Die Dicke schnippt in die Finger: »Und zack!«
Dampfwolken wehen – verhüllen die Sicht; nur Umrisse von roter und grauer Farbe.
Erst jetzt bemerkt Popcorn die Gestalt neben sich: sehr hager und lange, styroporweiße Haare. Raven; er öffnet den Mantel, um besser sprechen zu können: »Bist du noch frei?«
»Sehe ich etwa beschäftigt aus?«, lacht Popcorn, an ihrer Pinkstar ziehend. »Mein Kätzchen kostet achtzig die Stunde, fünfzig für ’ne halbe.« Sie streckt ihr Dekolleté vor. »Na, worauf stehst du, Cowboy?«
»Komm mit«, krächzt Raven und deutet auf das Palace, ein Stundenmotel für alle Klassen, von edel bis schnell. »Da rein.«
»Alles klar.«
Sie überqueren die Straße und betreten das Gebäude. Im obersten Stock angekommen, marschiert Raven den Korridor runter, bis er vor einer Tür stehen bleibt – leeres Zimmer, zeigt ein grünes Neonlicht. Er holt seine CredCard hervor, steckt sie ins Schloss.
»Wie lange?«, fragt eine metallische Stimme.
»Dreißig Minuten.«
Die Tür gleitet auf; Popcorn geht an Raven vorbei, zu einem Bett ohne Decken, ohne Kissen. Noch im Gehen lässt sie ihr Kleid fallen. »Da sind wir zwei Hübschen. Was möchtest du haben?«, fragt sie erneut, während sie sich lasziv aufs Laken wirft. »Na?«
Raven streift den Mantel ab, legt ihn auf einen Stuhl. »Du siehst so unverbraucht aus, Mädchen. Wie lange schaffst du schon an für diesen …«
»Quetzalcoatl?«
»Ja.«
»Willst du bloß quatschen?«, fragt Popcorn gereizt. »Was ist?«
»Leg dich hin.« Raven geht rüber zum Bett. Seine Handschuhe streichen über ihre Haut, die Kratzer, die blauen Flecken, zeichnen die tätowierte Schlange nach, dann gleiten sie an der Hüfte aufwärts zu ihren Rippen und zum Hals. »Keine Buchsen, sehr gut.«
»Komm mir bloß nicht auf die kranke Tour. Falls du hier was Schräges abziehen –«
Plötzlich hat Raven ihre Kehle gepackt, drückt zu: Popcorn kriegt keine Luft, sie windet sich in seinem Griff, versucht, die Hände wegzureißen. »Hübsches Ding«, krächzt Ravens kalte Elektrostimme, »ich kann dich gebrauchen. Wir werden mit Quetzalcoatl sprechen.«
***
Tausendfach potenzierte Lust, ein Nebel aus kristallinem Glück – kaum auszuhalten. Raven schwelgt in der Ekstase gewebter Impulse, saugt sie in sich auf, in seinen kalten, gefühlstoten Körper mit den vielen Einstichen, den verknöcherten Adern. Wie früher, wie früher! Ravens verklärte Augen öffnen sich – und er sieht gerade noch, wie Popcorn ihm eine Metallstange über den Scheitel zieht, bevor sie auf die Konsole eindrischt.
Blutrotes Licht wirft ihn zurück, die Stecker lösen sich vom Deck, gleichzeitig reißt die Übertragung, und kalter Schmerz trifft ihn mit voller Härte. Raven sackt nach hinten, als Popcorn weit ausholt und ihm die Stange zwischen den offenen Kiefer schlägt. Beim dritten, vierten Schlag bricht sein Schädel; Popcorn lässt die Stange fallen, kniet nieder, rüttelt den Teen wach. »Los, wir müssen abhauen.«
»He, was ist passiert? Hast du nicht –«
»Mach schon«, brüllt Popcorn und zerrt ihn auf die Füße. Arm in Arm stolpern sie über den Bahnsteig, die Treppe hoch, auf die Straße hinaus.
»Wer war … der Kerl da?«
»Bloß ein Penner, vergiss ihn.« Popcorn schleppt ihn zu einer Trödelgasse, wo sie zwischen den Ständen untertauchen können. Erst an einer Bude mit 5Sense-Schwarzkopien halten sie an.
»Hey, hast du gar nichts geschmissen?«, lallt der Teen und versucht, ihre Pupillen zu checken. »Und was ging unten im Schacht … ab?«
»Stell nicht so viele Fragen, Mann!« Sie schlingt den Arm um seine Hüfte, atmet tief aus. Dann lächelt sie erleichtert. »Kleiner, wie steht’s: Willst du den geheimen Schwertschlag lernen?«
»Ich heiße Razor.«
»Aber klar …«
Beide laufen die Gasse entlang und verschwinden in der Menge, zwischen Punks und Huren und Schlägern:
Willkommen im Asphaltgarten!
HIGHSCORE
In einer Sänfte tragen sie mich durch die Elektrische Stadt, entlang der alten Arcade aus
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