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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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eingeführt worden sind. Am Kopf steht ähnlich einer Dornenkrone ein Geflecht aus Drähten ab. Die Augen des Orca hat man chirurgisch entfernt; Plastikgarn hält die blutigen Wunden zusammen.
    Polternd fliegt ein Türflügel auf, ehe sein Vater zügig das Labor betritt und zu Philippe marschiert, der gerade ein Tablett mit Proben aufnimmt. Sein Bruder trägt einen schneeweißen Kittel. Er ist um Jahre gealtert.
    »Colonel Geoffroy sitzt mir im Nacken, wo bleibt der scheiß Prototyp? Ich kann die Heeresleitung nicht ewig hinhalten, die wollen Ergebnisse sehen … Eure Schonfrist ist vorbei!«
    »Du verstehst nicht …«, beginnt Philippe, das Tablett zitternd in der Hand; doch sein Vater lässt ihn nicht ausreden:
    »Oh, ich verstehe sehr wohl«, knurrt er gepresst. »Ich habe aufs falsche Pferd gesetzt, als ich euch hierher versetzen ließ. Ihr beide seid mir den Franc nicht wert!«
    »Mann!« Gabriel pfeffert wütend eine Plexiglas-ROM auf den Schreibtisch. »Hätten wir die Technik gekriegt, die ich vor Monaten schon beim Stab geordert habe, wären wir längst fertig oder ein gutes Stück weiter … Aber nein, es mussten ja noch mehr Sonar-Torpedos angeschafft werden.«
    »Neues Spielzeug, Junge? Dass ich nicht lache!« Sein Vater macht eine ausladende Geste. »Ihr habt hier das Beste vom Besten. Nein, es ist ganz allein eure Inkompetenz, die euch nicht vorwärts bringt. Ihr kriegt es einfach nicht hin!«
    »Was weißt du von unserer Arbeit«, brüllt Gabriel zurück. »Du hast doch keine Ahnung davon, wie schwierig es ist, einer organischen KI ein reelles Körpergefühl vorzugaukeln. Sie muss das U-Boot nicht nur steuern, Vater, sie muss das U-Boot wirklich sein!«
    »Deine Ausflüchte ziehen bei mir nicht, Junge. Ich will diese Steuereinheit haben, am Ende des Monats. Und keinen Tag später, sonst lasse ich euch wegen Hochverrats einsperren, das ist mein letztes Wort.«
    Immer neue Flashbacks blühten im Zeitraffer auf und zerbrachen. Endlich hatte Gabriel das Bunkertor erreicht; er zitterte am ganzen Leib, sein Hemd war schweißdurchtränkt, als er sich hochstemmte und schwankend auf die Beine kam. Fahrig – kraftlos tastete er nach dem Scanner an der Wand. Die Augen, er musste sie weit öffnen. Wo war der Sichtschlitz, wo? Kalte, kristallfeine Splitter blendeten seine Augen, raubten ihm wieder die Sicht:
    »Kommt gar nicht in Frage«, ruft die Stimme seines Bruders, irgendwo im gläsernen Nichts. »Solch eine Operation könnte dich töten. Zu gefährlich; und ohne dich bin ich aufgeschmissen.«
    »Keine Wahl, Philippe. Keine Wahl! Wenn wir übernächste Woche nicht liefern, werden wir unehrenhaft aus dem Dienst entlassen. Weißt du, was unser lieber Herr Vater dann aus uns macht?«
    »Aber das ist Schwachsinn, wenn du –«
    »Ich brauche sämtliche Daten in meinem Kopf, nicht im Computer, hier drin! Und ein Speicherstift könnte alle Ergebnisse aus sechs Jahren Forschungsarbeit spielend aufnehmen …«
    »Ein Implantat kostet dich fast dein gesamtes Langzeitgedächtnis.«
    »Auch das besteht nur aus biologisch kodierten Informationen, die sich auslesen lassen. Verstehst du denn nicht? Ich will herausfinden, warum die KIs schon nach wenigen Tagen sterben oder den Kontakt mit uns abbrechen … Das geht nur, wenn ich die Protokolle komplett verarbeiten kann. Wir übersehen etwas, und das weißt du!«
    »Alles, was ich weiß, ist, dass du irre geworden bist.«
    »Verzweifelt, ja. Sans rancune, aber ich habe mich entschieden.«
    »Nur über meine Leiche. Bevor du das tust, werde ich diesem verfluchten Projekt ein Ende setzen!«
    »Du willst mir drohen? Ich warne dich, Bruderherz.«
    Die Sirene gellte los; das Tor öffnete sich, und atomares Tageslicht flutete in den Bunker – Gabriel prallte gegen eine Wand aus Hitze, die flimmernde Luft brannte in seiner Kehle, während er zum Kai hinüberblinzelte.
    Er hörte die Möwen schreien.
    Ein Flashback, qualvoller als die davor, stieg in ihm auf und zersprang in tausend öligen Farben, schillernd wie die Schuppen eines Fisches:
    Sie sitzen in einem Jeep, sein Bruder und er, und fahren in hohem Tempo die Schleifen einer Corniche bergan, als ein greller, schädelweißer Blitz die Küste durchbricht. Das nachfolgende Beben erfasst die Straße, klopft Steine hoch wie Staub; darauf zerreißt der Asphalt und große Schlaglöcher klaffen, die das Fahrzeug zum Schlingern bringen. Philippe brüllt das Lenkrad an, hektisch kurbelnd, bis ein Vorderrad absackt – ein kurzes

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