Maschinenkinder
Sonne und dem Mond, der auf dem Ozean glänzt, sobald die Flut über Sandbänke schäumt und die Fische springen und die Leuchtalgen schweben. Wale sangen ihr Nachtlied, ein hölzerner Nachhall von diesen Tönen, noch höre ich sie, schmecke die bittere Gischt auf der Zunge. Doch jetzt sind wir angelangt, wir drei, allein auf diesem Planeten, der fremd wie ein Traum ist, gewebt zwischen Trauer und Schlaf.
So fühlt es sich an, auf schwankendem Hügel zu stehen, das Raumschiff im Rücken, die Luke ein offenes Maul, das uns ausgespuckt hat in diese weiche, seltsam geformte Landschaft aus Muschelrippen, Gallert. Nichts Schönes, nur kalter schleimiger Brei … aber dort ist noch mehr, tief unter der Schale, das als Flüstern zu mir spricht.
Mein Geist erwacht, wenn der ihrige schläft: Ich bin Eron, der Forscher, der Denker, das allsehende Auge dieser Expedition, und weder Gefühle noch Träume erreichen mich jetzt; ich sehe nur Masse, mal Höhe, mal Breite: das graue, auch perlweiße Fleisch dieser Welt.
Was dem Atax die Sinne, sind für mich Instrumente, mit denen ich den Planeten erfasse, katalogisiere, vermesse – die Kämme und Rippen in naher Umgebung, die Hügel aus Aragonit und Calcit. Aus Teichen und Seen entnehme ich Proben, analysiere den hellen, geruchlosen Schleim, der träge über den Rand schwappt im Halblicht der Monde, wie eine Zunge, wie Brandung; unten habe ich Strömung entdeckt, von fremden Muskelsystemen erzeugt, dort, wo die seismischen Wellen am stärksten schlagen.
Ein Wesen, ganz deutlich, ein Gesamtorganismus: Kiemen und Kreislauf als Vorsprünge, Bäche, und sein Leib bis zum Sternenzelt ausgestreckt. Wie alt mag es sein? Kann es mich hören? Und diese Mulden …
Handgroße Augen starren uns an!
Ich bin Pyrill, und ich träume, habe Angst zu erwachen. Draußen, hinter dem blutroten Schleier, den geschlossenen Lidern, lauert etwas, weiß und abscheulich: ein Egel mit zahllosen Mäulern, die sich schmatzend öffnen und schließen. Sie saugen die Wärme aus unseren Gliedern, eiskalter Schmerz zerfurcht uns den Rücken, eine Klinge, ein Dolch, der von hinten ins Herz stößt. Ich schreie. Schreie.
Alsdann ist es fort, und ich durchtauche die Schwärze wie alle Jahre zuvor, inmitten der Leere, ohne Gefühl, ohne Leben. Nur ein Pulsar blinzelt mir zu aus der Ferne als winziges Staubkorn aus Licht.
Vorsicht, Eron.
Nimm deine Proben, dann kehre um. Diese Stimme, die uns wie Sturmwind umhüllt - wir sind nicht willkommen! Ich fühle die Schutzschicht, ein Häutchen, ein feines Gewebe aus geflüsterten Worten, doch giftig, erbost.
Behutsam nehme ich meine Sinne zurück, lasse die Hügel unangetastet, während der Blick zu den Sternen hochwandert: so viele Monde, die den Planeten einrahmen, matt schimmernd, wie Perlen, wie Kugeln aus Marmor, von einem Gott in die Nacht eingestreut.
Eine Ahnung, ein flüchtiges Bild, das verblasst, weil Pyrill erwacht ist und meine Gedanken verfolgt, die oben die Gestirne umkreisen: Was wird geschehen, sobald die Sonne aufgeht und sich sengend und grell über den Rand dieser Wasserwelt schiebt?
Schlafe.
Schlaf ein und nutze die Gabe, bevor es zu spät ist.
Wir sind in großer Gefahr.
Noch ist das Alter der Kreatur nicht bestimmt; sie lebt vielleicht seit vielen Äonen, wenn meine Hypothese hier greift. Ich brauche Zellen aus tieferen Schichten, und eine Bohrung muss durchgeführt werden; mehr Zeit ist von Nöten – mehr Zeit!
Die seismischen Stöße sind heftig geworden, und eine Welle rollt auf mich zu: Ich wanke, strauchle, werde zur Seite geworfen, als ein Hügel sich strafft wie ein Muskel und Schleim und Gallert über mich schwappen wie Wogen, die an den Klippen zerbrechen.
Das Wesen erwacht, nein, hat nicht geschlafen, und es richtet den Zorn gegen uns.
Im Fieberschlaf träume ich wieder den kosmischen Traum:
Am Rand der Galaxien, wo Staub und Gas zu Sternen werden, treibt eine Sonne, weit entfernt, begleitet von den Weggefährten, den Monden und Planeten, wovon nur einer Leben birgt unter seiner Wolkendecke: ein uraltes Wesen, das meistens ruht, in Stille versunken, um dann als Mahlstrom zu erwachen, wenn der Himmel umkippt und seine Schalen sich schließen. Die Falle schnappt zu – und wir rauschen durch Schwärze, tiefer und tiefer im Schatten gefangen.
Danach fließt die Zeit …
Und aus Fleisch wird Knochen, und aus Knochen wird Stein, ehe der Gott seine Muschelhand öffnet und einen neuen, schillernden Mond ins Weltall ablegt.
Schnell
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