Maschinenmann: Roman (German Edition)
dringende E-Mails begannen mit »Haben Sie das nicht gelesen? Sie müssen …«, »Ihre Abteilung hat es erneut versäumt …« oder etwas in dieser Richtung. Ich scrollte durch meinen Posteingang. Ich durchkämmte einen Haufen nutzloser Informationen darüber, wer wo nicht parken durfte und warum die Klimaanlage von vier bis fünf abgeschaltet werden musste, bis ich darauf stieß. Eine Nachricht von der Personalabteilung. Elaine war versetzt worden. Den Grund nannte die E-Mail nicht. Nur dass man es für das Beste hielt.
»Oh«, sagte ich.
An diesem Abend ließ die Kadmiumbatterie den Mikroprozessor durchschmoren. Zwar hatte ich diese Möglichkeit einkalkuliert, trotzdem war ich enttäuscht. Ich saß an meiner Werkbank und starrte auf die dünne Rauchfahne, die aus dem Plastikknie waberte. Das ließ sich reparieren. Ich konnte den Chip austauschen. Aber dann musste ich mit den Grenzen der Transistoren leben. Bei jeder Verbesserung drohte ein neuer Engpass.
Ich schob mich von der Bank zurück. Es war bereits spät. Das Problem war, dass ich nur an Äußerlichkeiten herumbastelte. Dass ich versuchte, das Bein über die Kapazität der ursprünglichen Gestaltung hinaus zu verbessern. Ich dachte wie alle anderen: Der Zweck einer Prothese war, die Biologie nachzuahmen.
Ich schloss die Augen. Mir war warm. Dann öffnete ich sie wieder, nahm Block und Stift zur Hand und fing an zu schreiben. Und zu zeichnen. Nachdem ich vier Seiten gefüllt hatte, nahm ich das Bein von der Bank und legte es auf den Boden, um Platz zu schaffen. Ich hatte das Ganze völlig falsch angepackt. Die Biologie war keineswegs ideal. Im Grunde genommen konnten biologische Beine nichts anderes, als eine relativ kleine Masse von A nach B zu befördern, vorausgesetzt A und B waren nicht allzu weit voneinander entfernt und man hatte keine Eile. Das war nichts Besonderes und überhaupt nur deshalb bemerkenswert, weil Beine das mit einem aus sich selbst gewachsenen Rohstoff bewerkstelligten. Wenn man etwas innerhalb dieser Grenzen konstruieren musste, dann war es nicht schlecht. Aber wenn man sich nicht an diese Beschränkungen halten musste, dann konnte man doch sehr viel mehr an Funktionen einbauen.
Drei Wochen später rief ich im Krankenhaus an. Ich war ganz aufgeregt. Ich hatte es immer wieder aufgeschoben und gewartet, um mich zu beruhigen, aber das passierte nicht, und schließlich tat ich es einfach. Ich schloss die Tür zu meiner Schlafkabine und wandte mich der Wand zu, damit mich nichts ablenken konnte.
»Lola Shanks, Prothetik.«
»Hi, hier spricht Charles Neumann, ich war vor ein paar …«
»Charlie! Wo haben Sie denn gesteckt?«
Eigentlich hätte ich zu Folgesitzungen wieder ins Krankenhaus fahren müssen. Sie waren verbindlich, zogen aber bei Nichterscheinen keine Sanktionen nach sich. »Ich war beschäftigt. Können wir uns treffen?«
»Ja, das wäre schön! Ich hoffe, Sie haben weiter Ihre physiotherapeutischen Übungen gemacht. Wenn nicht, kriegen Sie Schwierigkeiten. Wann können Sie kommen?«
»Können Sie zu mir kommen?« Ich klopfte mit den Skizehen auf den Boden tick tick tick und zwang mich, damit aufzuhören. »Ich muss Ihnen was zeigen. Ich würde gern Ihre fachliche Meinung hören.«
»Ähm. Na gut, warum nicht? Wo finde ich Sie?«
Um mich mit Lola Shanks zu treffen, musste ich hinauf zur Eingangshalle. Seit der Entdeckung der Schlafkabinen war ich nicht mehr dort oben gewesen. Aber ohne Genehmigung kam sie nicht zu mir durch. Also stieg ich in den Aufzug und lief durch die Gänge. Das war schwieriger, als es klingt, weil ich den Exegesis trug und noch nicht dazu gekommen war, das Knie zu reparieren. Es neigte dazu, nach vorn auszubrechen. Also hielt ich mich nah bei den Wänden. Aber immerhin konnte ich ohne eine einzige Frage an abgebrühten Ingenieuren vorbeihinken. Das gab mir zunächst Rätsel auf, doch dann wurde mir klar, wie jämmerlich ich ihnen erscheinen musste.
Im Foyer sank ich auf ein schwarzes Sofa. Ich zog mein Telefon heraus und blickte alle paar Sekunden auf, um zu über prüfen, ob sie schon durch die Tür kam. Ich war zu früh dran. Vorgebeugt fixierte ich das maßstabgetreue Modell einer mobilen Waffenplattform, das in einem Glaskasten auf dem niedrigen Tischchen stand. Auf einer kleinen Pla kette stand: CIVIL PEACEMAKER 5-111 . Im Grunde ein Wohn wagen mit Waffen. Ich hatte eine Präsentation dazu besucht. Die Idee da hinter war, dass man ihn zum Beispiel in eine jüngst eroberte Stadt schleppte
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