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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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und zurückließ, um für Frieden zu sorgen.
    »Hi!«
    Ich zuckte zusammen. In weißem Polohemd, weißer Hose und weißen Turnschuhen strebte Lola Shanks auf mich zu. Das Haar hatte sie mit einem dünnen weißen Stirnband gebändigt. Mein erster Gedanke war, dass sie direkt vom Training oder von irgendeiner religiösen Veranstaltung kam, doch sie hatte sich wohl eher aus modischen Gründen für diese äußerst einförmige Kleidung entschieden. Sie streckte die Arme aus. Um aufzustehen, musste ich vor und zurück schaukeln, und mein unregulierter Skifuß flog nach vorn.
    Lola fasste mich an den Händen. »Hey! Was ist denn mit dem Bein los? Das darf eigentlich nicht sein.« Bevor ich etwas erklären konnte, rollte sie mein Hosenbein hoch. »Was ist das?« Sie tippte auf die Dose.
    »Eine Modifikation.«
    »Was?« Inzwischen war sie zum Knie vorgedrungen. Oder zu dem, was davon übrig war. Ein halb geschmolzenes, leeres Gehäuse. »Wo ist das Knie?«
    »Kaputt.« Es war mir peinlich. Leute schauten zu.
    Lola erhob sich, ihre braunen Augen zuckten zwischen meinen hin und her.
    »Im Krankenhaus bin ich gar nicht dazu gekommen, mich zu verabschieden«, murmelte ich.
    »Es sollte ja auch kein Abschied sein. Ich habe Sie zu weiteren Sitzungen erwartet.«
    »Ach.«
    »Warum haben Sie das Knie kaputt gemacht?«
    »Ich wollte es verbessern. Aber dann kam ich auf die Idee, ein ganz neues zu konstruieren.«
    »Ein neues Knie?«
    »Ein neues Bein.«
    »Ein … was? «
    »Ich habe eine Prothese gemacht. Na ja. Ich bastle noch herum. Fortschritte sind immer möglich.«
    »Sie haben ein Bein konstruiert?«
    »Ich zeige es Ihnen.«
    »Ja bitte«, sagte sie.
    Lola wurde von einem Wachmann in ein Vernehmungszimmer gebracht, und ich kehrte zum Sofa zurück. Sie beantwortete Fragen zu allen Personen, denen sie je begegnet war, zu allen Orten, die sie je besucht hatte, und zu ihrem Facebookprofil, während ich durch das Hochglanzmagazin der Firma – Blick nach vorn – blätterte. Anscheinend immunisierten wir Kinder in Nigeria. Lola brauchte so lange, dass ich schließlich nach ihr fragte. Ich erfuhr, dass sie gerade im Multiscanner war. Das war ein Detektor für eine weiterentwickelte Definition von Metall. Ich war überrascht, denn das hätte eigentlich der schnellste Teil des Vorgangs sein sollen. Man musste sich nur hinstellen.
    Endlich kam Lola heraus und machte ihren obersten Knopf zu. »Sie haben mich abgetupft«, erzählte sie. »Sie haben mir den Mund abgetupft.«
    Der Wachmann reichte ihr ein Schild. »Bitte tragen Sie das ständig. Wenn Sie es verlieren, kommen Sie nicht mehr raus.«
    Lola schaute mich amüsiert an, und ich schüttelte den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass das ernst gemeint war. Sie heftete sich das Schild an ihr Polohemd.
    »Hat es Schwierigkeiten gegeben?«
    »Ach nein. Ich komme nur nicht so gut mit Metalldetektoren klar.« Sie rückte ihre Brille zurecht. »Vergessen wir das. Zeigen Sie mir Ihr Bein.«
    »Ein Problem bei biologischen Beinen ist«, erklärte ich im Fahrstuhl, »dass sie allein nicht überleben. Sie sind nicht modular. Dadurch entstehen abgegrenzte Schwachstellen und Abhängigkeiten. Das alles ändert sich, wenn man das Bein autark macht.«
    Lola hörte auf, an ihrem Besucherausweis herumzunesteln. »Autark?«
    »Das heißt, es funktioniert selbstständig. Es braucht keinen warmen Körper, um angetrieben zu werden.«
    »Der Exegesis braucht keinen Antrieb.«
    »Doch. Immer wenn ich gehe, gebe ich ihm kinetische Energie.«
    »Ah, verstehe.«
    »Ohne mich ist er nur ein Anhängsel.« Ich schielte zu ihr hinüber. »Ich meine, er ist natürlich besser als nichts.«
    »Das ist wirklich ein gutes Bein, Charlie.«
    »Für das, was es ist …«
    »Besuchen Sie mal ein öffentliches Krankenhaus und schauen Sie sich an, womit die Kinder dort rumlaufen müssen.« Ihre Augen schimmerten.
    »Ähm«, machte ich.
    »Mit Stöcken«, fuhr Lola fort. »Mit Kübeln auf Stöcken.«
    »Auch der Exegesis ist ein Kübel auf einem Stock. Darauf will ich ja hinaus. Das Design ist grauenhaft. Warum hat noch niemand eine Prothese konstruiert, die selbstständig gehen kann? Das würde mich interessieren.«
    »Wie bitte?«
    »Ist doch ganz klar.« Ich gestikulierte mit der freien Hand. »Man baut einen Motor ein.«
    Lola blieb stehen. »Sie haben einen Motor in das Bein eingebaut?«
    »Ja. Nein. Nicht einen Motor. Mehrere. Man braucht mehrere Motoren, um die Zehengelenke redundant zu lagern.« Ich war nervös.

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