Maschinenmann: Roman (German Edition)
hinein und machte einen entsprechenden Schritt mit dem biologischen Bein. Das war der klobigste Teil des gesamten Vorgangs. Damit war ich alles andere als glücklich. Lola schwieg die ganze Zeit.
Schließlich räusperte ich mich. »Wie finden Sie es?«
»O Charlie. Es ist wunderschön. Einfach wunderschön.«
»Oh«, erwiderte ich. »Oh. Oh. Vielen Dank.«
Nachdem ich Lola nach oben begleitet hatte, kehrte ich ins Labor 4 zurück und setzte mich neben meiner Konstruktion auf den Boden. Ich hatte gehofft, dass Lola mein Bein mögen würde, aber man konnte nie wissen. Auf jeden Fall hatte ihre Begeisterung all meine Erwartungen übertroffen.
Dann wurde ich auf einmal deprimiert. Das Gegenteil einer logischen Reaktion, aber so war es nun mal. So fühlte ich mich immer am Ende eines Projekts. Zuerst war ich hektisch, entschlossen, aufgeregt – und dann traurig, weil es vorbei war und es nichts mehr zu verbessern gab. Ich starrte das Bein an. Nach einer Weile fiel mir auf, dass ich die Engpässe noch nicht überwunden hatte. Ich hatte sie nur zurückgedrängt. Ich hatte ein Bein konstruiert, das selbstständig laufen konnte, nicht schlecht, aber damit hatte es sich auch, das war bereits abzusehen. Von jetzt an waren nur noch graduelle Verbesserungen möglich, denn der Engpass war mein Körper.
Es war schon spät, meine Assistenten waren nach Hause gegangen. Ich sah mein Bein an, mein gutes Bein. Na ja, gut ist eigentlich das falsche Wort. Ich meine das Bein, mit dem ich geboren worden war. Ich krempelte die Hose hoch und drehte es hin und her. Es war dick und schwach und gewöhnlich. Je länger ich es anstarrte, desto mehr brachte es mich auf die Palme.
Ich zerlegte meine Prothese. Eigentlich wollte ich es gar nicht, aber nachdem ich damit angefangen hatte, bemerkte ich immer neue Dinge, die ich verbessern konnte. Erst als nur noch Bruchstücke herumlagen, wurde mir voller Panik klar, was ich getan hatte. Doch es war okay. Ich konnte es jederzeit wieder zusammensetzen.
Ich durchstöberte die angrenzenden Labors nach Bauteilen. Meine Assistenten schickte ich los, um mir Werkstoffe zu besorgen, die schwer zu bekommen waren. Wozu, verriet ich ihnen nicht. Wahrscheinlich wussten sie es sowieso. Man wurde kein Wissenschaftler, wenn man dem Drang widerstehen konnte nachzusehen, was sich in einem hell erleuchteten Labor unter einem weißen Tuch verbarg. Ich kam nicht mehr dazu, E-Mails zu beantworten und meine normale Arbeit zu erledigen. Ich rasierte mich nicht. Ich baute das Bein zu einer neuen Version um, die die Mobilität um die Hälfte steigerte, fand jedoch sogleich eine bessere Lösung und demontierte alles wieder. Zeit verging. Keine Ahnung, wie viel. Manchmal schlief ich im Labor ein und erwachte in einer kalten Sabberlache. Bei meinen Besuchen am Automaten nahm ich so viele Snacks mit, wie ich mit den Armen tragen konnte, und stapelte sie in einer Ecke, damit ich länger ungestört arbeiten konnte. Das Schlimmste war der Weg zur Toilette, die sich ganz am Ende des Gangs bei den Aufzügen befand. Am schönsten war es, wenn ich das wieder einmal geschafft hatte, denn dann lag ein sechs- bis achtstündiger ununterbrochener Arbeitsabschnitt vor mir. Außerdem hatte ich gute Ideen, wenn ich mit geschlossenen Augen auf dem Klo saß.
In meiner Mailbox sammelten sich Nachrichten von Lola. In den Nächten, in denen ich es in meine Kabine schaffte, hörte ich sie vor dem Einschlafen ab. Ich stellte auf Lautsprecher, und es war, als stünde sie im Zimmer. Sie drängte mich, sie anzurufen, und ihre Stimme klang von Mal zu Mal besorgter. Ein schönes Gefühl, so begehrt zu sein. Aber ich rief nicht zurück, weil meine Beine noch nicht ganz fertig waren.
Jason brachte mir einen Satz von fünfundsiebzig Zentimeter langen Sprungfedern. Die Teile des Beins waren auf meiner Werkbank verstreut. Inzwischen verheimlichte ich mein Vorhaben nicht mehr. Diese Schwelle hatten wir bereits überschritten.
Als ich merkte, dass er nicht ging, schob ich die Schutzbrille nach oben. »Ja?«
Jasons Blick huschte über die Komponenten. »Sie wollten zwei Federn.«
»Ja, danke.«
»Es sieht aus … es sieht aus, als würden sie zwei Beine bauen.«
Ich betrachtete die Teile. Es hatte wenig Sinn, ihm zu widersprechen.
»So ganz …« Jason zögerte. »Ich verstehe nicht so ganz, wozu Sie zwei brauchen.«
»Absicherung.«
»Aha.« Er schien nicht überzeugt. Trotzdem blieb er stehen. »Kann ich Ihnen sonst irgendwie behilflich sein, Dr.
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