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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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Neumann?«
    Ich überlegte. »Ich könnte noch Snacks gebrauchen.«
    Er brachte sie mir.
    Ich stellte meine neuen Beine fertig. Na ja. Zumindest erreichte ich einen Punkt, wo ich nicht mehr von dem drängenden Bedürfnis nach weiteren Änderungen zerrissen wurde. Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, doch innerlich zitterte ich. Immer wieder musste ich schlucken. Ich hatte Angst, sie anzuschauen. Sicher war das albern. Aber alles an diesem Moment fühlte sich unglaublich zerbrechlich an.
    Natürlich konnte ich sie nicht tragen. Sie gehörten zusammen, ich passte nicht dazu. Aber ich konnte vor ihnen sitzen und ihre Gegenwart genießen. Es war still, nur ich und sie.
    Mit fünfzehn wurde ich fast von einem Mann ohne Hemd in einer Dodge Viper totgefahren. Auf dem Heimweg von der Schule überquerte ich eine Vorstadtstraße, und er bog röhrend um die Ecke. Vermutlich erwartete er, dass ich hastig ausweichen würde, aber das tat ich nicht, weil ich fünfzehn war und mir ein abgebrühtes Auftreten gegenüber Fremden wichtiger war als mein Leben. Offenkundig teilte der Mann ohne Hemd diese Weltanschauung, denn sein Auto raste direkt auf mich zu. Schlagartig wurde mir klar, dass ich sterben oder zumindest eine schlimme Verletzung erleiden würde. Aber in letzter Sekunde – in einem weniger gut konstruierten Wagen wäre es schon zu spät gewesen – legte die Viper eine kreischende Vollbremsung hin.
    Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster und brüllte mich wütend an. Da sah ich, dass er kein Hemd anhatte. Er trug eine Spiegelbrille und klotzigen Schmuck, der beim Gestikulieren herumflog. Ich verkrampfte mich innerlich aus Angst, er könnte aussteigen und mich verprügeln, aber er fuchtelte nur mit den Fingern in meine Richtung und schleuderte mir Beschimpfungen entgegen, die ich beim gnadenlosen Hi-Fi-Dröhnen aus seiner Stereoanlage gar nicht verstehen konnte.
    Zuletzt legte er den Gang ein und jagte davon. Ich sah ihm nach, wie er mit bereits siebzig, achtzig Stundenkilometern um die Ecke schlingerte. Dann ging ich weiter. Irgendwie fand ich es empörend, dass so ein schlechter Mensch so ein tolles Auto hatte. Dieser Wagen war die Krönung von über tausend Jahren wissenschaftlichem Fortschritt! Und der Typ war ein Arschloch. Ich fragte mich, wann das angefangen hatte: dass wir Maschinen bauten, die besser waren als die Menschen.
    Meine Assistenten trafen mit Kaffee in der Glashalle ein und unterhielten sich über etwas, das sie anscheinend komisch fanden. Als sie mich sahen, erstarrten sie.
    »Dr. Neumann?«
    Diese Frage hatte ich eigentlich nicht gehört, sondern sie Katherine von den Lippen abgelesen. Ich war auf der anderen Seite der Polymerscheibe, und sie hatte die Sprechanlage nicht eingeschaltet.
    Erst nach einigen Sekunden fiel ihr dieser Fehler auf. »Dr. Neumann … was ist in der Spritze?«
    »Morphium.« Die Worte kamen gedämpft heraus, weil ich meinen Hemdsärmel im Mund hielt. Aber sie hatte mich wohl auch so verstanden. Ich beendete die Injektion und ließ den Ärmel sinken. »Gegen den Schmerz.«
    Katherine und Jason schielten sich an. Jason beugte sich zum Mikrofon. »Was für ein Schmerz, Dr. Neumann?«
    Ich war tief enttäuscht. Diese jungen Menschen zählten angeblich zu den hellsten Köpfen ihrer Generation. Trotzdem kamen sie nicht darauf, warum ich hier mit einer Morphiumspritze in der Zwinge saß. »Ich denke, eine Erklärung sollte sich erübrigen.«
    An einer Wand der Glashalle war der große rote Knopf. Wenn man den durchsichtigen Deckel hochklappte und ihn drückte, wurde die gesamte Stromzufuhr unterbrochen. Auf einem Schild stand: NUR FÜR NOTFÄLLE . Schon vor einiger Zeit hatte jemand ein Band mit der Aufschrift NICHT!! DRÜCKEN!!! Laborassistenten sind nun einmal neugierig. Jasons Blick zuckte zum Knopf.
    »Verständigen Sie bitte die medizinische Abteilung«, sagte ich.
    Jason war nicht dumm, das musste man ihm lassen. Er lehnte sich in Richtung des Telefons und hob den Hörer ab. Erst dann stürzte er zum großen roten Knopf.
    Aber mein Knopf war näher. In meiner Hand. Die Zwinge sprang an und summte auf Reserve. Die Stahlplatten klafften ungefähr dreißig Zentimeter auseinander. Ich saß an einer Kante. Mein linkes Bein, das biologische, baumelte herab.
    Nur gut, dass ich alles im Voraus arrangiert hatte, denn schon sickerte mir das Morphium in die Neuronen und benebelte die Synapsen. Wäre ich nicht so gut vorbereitet gewesen, hätte Jason den großen roten Knopf erreicht, bevor ich

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