Maschinenmann: Roman (German Edition)
ich die Matte mit den Nervenschnittstellen aus den Fassungen. Das Schöne an der Hand war, dass die Finger nicht zitterten. Präzise wie Laser ließen sie die Nadeln in meine Schenkel gleiten.
Nachdem die Verdrahtung abgeschlossen war, stemmte ich mich in die Fassungen. Vor drei Wochen hatte ich das noch nicht ohne fremde Hilfe geschafft. Ich hatte viel erreicht. Mit geschlossenen Augen machte ich es mir bequem und lauschte dem Zischen der Kolben. Die Hufe der Contours plonk-plonkten auf den Boden. Ohne zu übertreiben, das war eines der sinnlichsten Erfahrungen meines Lebens. Sosehr ich die Beine auch vermisst hatte, ich hatte trotzdem noch unterschätzt, wie gut es sich anfühlte, sie wiederzuhaben.
Ich machte einen Schritt. Plonk. Wie sie mich durch die Stadt getragen hatten, rasend und außer Kontrolle – bestimmt hatte ich mir das nur eingebildet. Diese Beine würden mich nie verraten. Sie waren zuverlässig, das konnte ich spüren. Sie waren praktisch ein Teil von mir.
Mein Blick fiel auf den Rollstuhl. Der reinste Witz, das Ding. Ich marschierte hin und stemmte einen Huf auf die Sitzfläche. Dann drückte ich nach unten. Die Metallstreben des Stuhls knallten und knirschten, und er zersplitterte wie Feuerholz.
Ich ging zum Aufzug. Während ich mit den Händen auf dem Rücken wartete, summte ich eine Melodie. Die Fahrstuhltüren glitten auseinander, und dahinter kamen zwei Assistenten mit Z-Brille zum Vorschein. »Guten Morgen, Dr. Neumann!« Sie traten beiseite, um mir Platz zu machen.
»Hallo.« Ich konnte mich nicht an ihre Namen erinnern.
»Kommen Sie wieder zur Arbeit?«
»Ja.« Ich verbesserte mich: »Nein.« Diese milchigen Gläser waren irgendwie unheimlich. Natürlich war ich selbst zur Hälfte eine Maschine. Aber trotzdem. »Bald.«
»Gut.« Der Große grinste. »Wir müssen Ihnen nämlich was zeigen.«
Ich stieg aus dem Aufzug. Die Ankündigung der Assistenten machte mich neugierig. Aber jetzt wollte ich vor allem Lola sehen. Seltsam eigentlich, denn noch vor einer Stunde hatte ich an nichts anderes gedacht als an meine Körperteile. Außerdem schlief Lola bestimmt, und es brachte nichts, sie zu besuchen. Trotzdem strebte ich zu ihrem Zimmer und duckte mich durch die Tür. Flatternd öffneten sich kurz ihre Lider, und sie lächelte. Es war nur ein leises Lächeln, aber sehr schön, und später musste ich an diesen perfekten Augenblick denken, an dem sich nichts verbessern ließ.
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Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass man zwei von drei Dingen braucht, um glücklich zu sein: Gesundheit, Geld und Liebe. Das Fehlen von einem lässt sich mit den anderen beiden kompensieren. Als ich noch einen ganzen Körper und Arbeit, aber keine Liebe hatte, tröstete mich diese Vorstellung. Ich hatte das Gefühl, nicht viel zu verpassen. Doch nun wusste ich, dass das absoluter Quatsch war, weil Gesundheit und Geld überhaupt nicht mit Liebe zu vergleichen waren. Einige Stockwerke über mir in einem Krankenbett lag eine Frau, die mich mochte. Zwar hatte ich keine Ahnung, wo das hinführen würde, aber immerhin hatte ich begriffen, dass es wichtiger war als niedriger Blutdruck. Wichtiger als ein neues Auto. Mit Lola im Haus schritt ich dahin wie auf Sprungfedern. Und so war es ja auch. Was ich meine, ist, ich war glücklich. Glücklich auf einer Koordinatenachse, die ich vorher nur in der Theorie gekannt hatte. Das Leben machte Spaß.
Als ich zur Glashalle gelangte, fielen mir die vielen Laborassistenten mit Z-Brille auf. Sie grinsten. Zuerst dachte ich, dass sie sich freuten, mich zu sehen, aber auf dem Weg zum Schreibtisch regte sich allmählich der Verdacht in mir, dass sie mir einen Streich spielen wollten. »Hallo«, sagte ich zu einer jungen Frau, die meinen Gruß mit breit gedehnten Lippen erwiderte. Ich versetzte die Contours in den Ruhezustand und machte mich an meinem Computer zu schaffen. Wie Fliegen schwirrten sie um mich herum, acht oder zehn sogar. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. »Was ist denn?«
»Fällt Ihnen keine Veränderung auf?« Der Sprecher war Jason, den ich erst jetzt identifizierte, weil die Z-Brille sein halbes Gesicht verdeckte.
Ich war es nicht gewohnt, Leute an ihrem Mund zu erkennen. Angestrengt blickte ich von einem zum anderen. »Nein.«
»Überhaupt nichts?«
»Nein.«
»Wollen Sie, dass wir unsere Brillen abnehmen?«
»Nicht unbedingt.«
Jemand erstickte ein Kichern.
»Also gut, nehmt sie ab.«
Sie zogen sich die Dinger vom Gesicht. Darunter hatten
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