Maschinenmann: Roman (German Edition)
bewusstlos zu werden. Oder erst das eine, dann das andere. Doch noch davor öffnete sich die Tür, und Jason sagte: »O Scheiße, Scheiße.« Das machte mich traurig, weil es wie eine Bestätigung war.
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Um mich herum bildete sich ein Raum. Das passierte nicht auf einen Schlag. Er schälte sich stufenweise aus dem Nichts. Natürlich nicht wirklich. Es wirkte nur so wegen der Medikamente. Erst nach einer Weile war ich davon überzeugt, dass er mit seinen strahlend weißen Laken, den beigen Wänden und den Möbeln auf Rädern nicht wieder davonwehen würde, um zu offenbaren, dass ich mich noch immer in Labor 4 befand und verblutete.
Eine Chirurgin besuchte mich, eine hochgewachsene Frau mit dunklem Kraushaar und ungeduldigen Augen. Im Allgemeinen schätze ich Ungeduld bei einem Menschen, denn sie beweist, dass der Betreffende Wert auf Effizienz legt. Doch in meinem Kopf summte ein ganzer Schwarm Bienen, und sie redete so schnell, dass ich ihr nicht folgen konnte.
»Das Débridement ist günstig verlaufen. Bei traumatischen Verletzungen kommt es häufig zu Knochensplitterung und zerstörtem Gewebe, aber Ihre Wunde war erstaunlich sauber. Sie hatten großes Glück. Ich musste Ihren Femur ungefähr fünfzehn Zentimeter hochziehen, aber das ist eine Kleinigkeit. Nur eine geringe Glättung des Knochens war erforderlich. Ich habe eine geschlossene Amputation durchgeführt. Das heißt, ich konnte die Wunde noch während der Operation vernähen, und das ist in so einem Fall äußerst selten. Normalerweise müssen wir die Hautlappen offen lassen, um eine Säuberung des infizierten Gewebes zu gewährleisten. Aber wie gesagt, es war eine erstaunlich saubere Abtrennung.«
»Was für eine Abtrennung?« Meine Stimme war belegt, und ich war gar nicht sicher, worauf meine Frage zielte. Ich wollte nur ihren Redeschwall unterbrechen.
Die Chirurgin nahm ein Klemmbrett und überflog es. Auf ihrem Namensschild stand DR. ANGELICA AUSTIN . Das kam mir irgendwie vertraut vor. Vielleicht hatte sie mich schon früher besucht, als ich noch weniger wach gewesen war. Dr. Angelica Austin blätterte um. »Vielleicht sollten wir Ihre Schmerzmittel geringer dosieren.«
Das klang nach einer furchtbaren Idee. Ich versuchte, mich aufzusetzen, und dabei fiel mein Blick auf mein Bein. Ich hatte einen Oberschenkel. Einen Oberschenkel in einem Strumpf. Aus verbandbedeckten Stellen kamen drei oder vier Schläuche und wanden sich hinauf zu hängenden Plastikbeuteln. Zwischen diesen Stellen war etwas rosig und schwarz Glänzendes zu erkennen, das nicht wie Haut aussah, aber Haut war. Ich war kurz. Das war das eigentlich Schockierende daran. Nicht der Stumpf an sich. Sicher, der Stumpf war schlimm. Aber das Schreckliche war die Luft. Der Raum. Ich hatte nur noch einen halben Oberschenkel. Mein Knie war weg. Meine Wade ebenso. Und der Fuß. Mir fehlte ein ganzer Fuß. Mit diesem Fuß hatte ich gegen Gegenstände getreten, und jetzt hatte ich ihn nicht mehr. All das machte mir sehr zu schaffen.
»Sie …« Dr. Angelica Austin stockte. »Den Stumpf haben wir doch gestern schon besprochen. Ich habe es Ihnen gezeigt.«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
Dr. Angelica Austin notierte etwas auf ihrem Klemmbrett. Sie senkte meine Dosis. Bevor ich Einwände erheben konnte, legte sie mir die Hand auf die Schulter. Ein peinliches Gefühl, für uns beide. »Ich komme wieder, wenn Sie ausgeruht sind. Das ist der Tiefpunkt, Mr Neumann. Ab jetzt geht es wieder aufwärts.«
Mein Zimmer hatte Fenster. Ich konnte über den ganzen Garten blicken. In der Abenddämmerung flammten die Wolkenkratzer orange auf. Es war sehr still in diesem Krankenhaus. Fast als wäre ich der einzige Mensch hier.
Ich hatte vier Pfleger: Katie, Chelsea, Veronica und Mike. Mike hatte die Aufgabe, mich zu baden. Das fand ich unfair. Da hatte ich so viel durchgemacht, und dann wurde ich von einem Mann gewaschen. An sich natürlich keine große Sache. Einfach eine weitere Enttäuschung. Damit will ich nichts gegen den Pfleger Mike gesagt haben. Mike war sehr freundlich. Er brachte mir bei, die Verbände aufzuwickeln, ohne die Drainageschläuche herauszureißen. Das war mir einmal passiert, und ich wollte es nicht noch einmal erleben. Er zeigte mir, wie man sie befestigte, damit sie sich nachts nicht lösten. Alle vier Stunden mussten meine Verbände gewechselt werden. So stark floss es aus mir heraus, auch wenn man nicht mitrechnete, was aus den Schläuchen in mich hineintransportiert wurde.
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