Maschinenmann: Roman (German Edition)
nasser Fisch. Und dann? Vielleicht würde mich Dave im Krankenhaus herumschieben. Vielleicht wollte er mich zwingen, dass ich mich selbst mit den Armen antrieb. Beides war schwer und demütigend. Ich kaute auf der Innenseite meiner Wange, weil es mir nicht leichtfällt, wütend auf andere zu sein.
»Ich warte«, sagte Dave.
»Ich muss das erst mal fertig lesen.« Ich zeigte ihm mein Telefon.
Kommentarlos pflückte er es mir aus den Fingern und legte es auf den Nachttisch.
Ich wehrte mich nicht, einfach weil ich nicht fassen konnte, was er getan hatte. Anscheinend hatte Dave keine Ahnung, was für ein intimer Gegenstand ein Telefon war. Eine andere Erklärung gab es nicht.
»Aufsteigen.«
Er wollte mich gegen sich aufbringen, um mich aus der Reserve zu locken. Offenbar hatte er erkannt, dass ich auf Provokationen reagierte. Er würde mich gnadenlos schikanieren und mir am Tag meiner Entlassung voller Genugtuung erzählen, dass er keine Sekunde an mir gezweifelt hatte.
»Na los, Großer.« Mit den Händen trommelte er auf den Stuhl ein. »Lassen wir es krachen.«
So rechtfertigten diese Typen sich. Sportlehrer. Trainer. Läufer. Verachtung, Geringschätzung – alles okay, weil es nur zu meinem Besten war.
»Sie wollen doch nicht, dass ich Sie aus dem Bett hole, oder?« Dave lachte.
Ich träumte, dass ich wieder bei Better Future war und mein Bein nicht finden konnte. Suchend hüpfte ich im Labor herum. Schließlich erspähte ich es auf dem Spektrografen. Ich war ganz erleichtert, weil ich es jetzt wieder anbringen konnte. Doch dann wachte ich auf und erkannte, dass es nicht so war.
»Atmen Sie ein«, kommandierte Dave. »Gaaanz tief. Spüren Sie, wie sich Ihre Brust dehnt. Luft anhalten. Anhalten. Jetzt raus damit.«
Ich atmete aus. Hinter einer Wolke kam die Sonne hervor. Blinzelnd verlagerte ich mein Gewicht im Rollstuhl. Wir waren draußen. Das machte mich nicht glücklich.
»Noch dreimal. Ich will, dass Sie die Entspannung reinlassen, Charles. Lassen Sie sie rein.«
»Mir ist heiß.«
»Ihnen ist nicht heiß.« Krankenhauspersonal schlenderte vorbei und trat durch die Eingangstür. Dave saugte die Luft ein. »Dreimal noch.«
»Das hilft mir nicht.«
»Es hilft nicht, weil Sie nicht zulassen, dass es Ihnen hilft.«
»Mir fehlt ein Bein. Dagegen hilft Atmen nicht. Überhaupt nicht.«
Daves Augen kannten kein Erbarmen. »Ah, wir zerfließen vor Selbstmitleid.«
Dave trug eine kurze Hose. Tapfer hatte ich versucht, mich nicht daran zu stören, aber er trug eine kurze Hose, aus der zwei muskulöse, braun gebrannte Beine hervorplatzten und sich hinab bis zu Socken und Turnschuhen streckten. War das nicht ein bisschen unfair gegenüber einem Typen im Rollstuhl mit einem aufgedunsenen, mutierenden, juckenden Stumpf? Dieser Typ wollte ich nicht sein. Der zornige Krüppel. Doch ich war ein Krüppel, und Daves Beine machten mich zornig.
»Bloß ein neues Kapitel, Kumpel«, bemerkte Dave. »Ein neues Kapitel in Ihrem Leben, das darauf wartet, geschrieben zu werden.«
»Es ist kein Kapitel, sondern ein Verlust. Ein Rückschritt.«
»Hängt ganz davon ab, wie man es betrachtet.«
»Nein. Das ist objektiv verifizierbar. Ich bin weniger. «
Federnd ging Dave in die Hocke und legte die Hand auf mein linkes Rad. »Ich möchte Ihnen von einem Patienten erzählen, der vor ungefähr fünf Jahren hier war. Er hatte einen Arbeitsunfall, genau wie Sie. Hat beide Beine verloren. Bis hinauf zur Hüfte. Davor war er professioneller Wasserskiläufer. Aber schon am ersten Tag nach der Operation hat er sich was vorgenommen: Das war mein altes Leben. Jetzt fängt mein neues Leben an. Ich habe ihn aufgefordert, das nächste Kapitel zu schreiben, Mann, und er hat es getan. Und wissen Sie, was er heute macht?«
Ich stieß Daves Hand von meinem Rad, fasste nach den Griffen und schob mich weg. Die Leute traten zur Seite, um mich mit meinen ruckartig wütenden Umdrehungen vorbeizulassen.
»Er gewinnt Medaillen!«, rief mir Dave nach. »Bei den Paralympics!«
Beim Erwachen aus meinem Nachmittagsschlaf saß eine Frau auf einem Stuhl neben meinem Bett. Davor war der Stuhl nicht da gewesen. Sie hatte ihn mitgebracht. Außerdem hatte sie eine große schwarze Aktentasche dabei, fast wie eine Künstlermappe. Sie war adrett und geschäftsmäßig. Mit hohen, symmetrischen Wangenknochen. Blond. »Hallo.« Ihre Lippen zuckten mitfühlend. »Wie geht es Ihnen?«
»Was?«
»Ich bin Cassandra Cautery. Von der Firma.« Sie neigte den
Weitere Kostenlose Bücher