MASH
hätten keines.«
»Ich habe einen Spender gefunden, Sir.«
»Braver Junge«, sagte der Colonel.
Zwei Stunden später stattete der Colonel selbst dem Sumpf einen Besuch ab. Hawkeye träumte inzwischen, daß er mit seinem Vater, Big Benjy Pierce, die Hummerkörbe einhole.
»Super«, sagte Hawkeye.
»Los, Pierce«, sagte Henry und rüttelte ihn. »Los! Wachen Sie auf!«
»Was hast du denn, Pa?«
»Quatsch, Pa«, sagte Henry. »Ich bin es.«
»Wer?«
»Sie, Pierce, wir haben einen jungen Koreaner mit einem entzündeten Blinddarm in der Aufnahme. Wer soll ihn entfernen?«
»Sie«, sagte Trapper John und drehte sich auf seinem Schlafsack um.
»Wieso ich?« sagte Henry.
»Weil Sie zwar ein Menschenführer sind, aber es keine Mannschaft mehr zum Führen gibt«, murmelte Trapper.
10
Für jeden Chirurgen bedeutet es eine große seelische Belastung, eine schwere Operation an einem Patienten vorzunehmen, dessen Genesungschancen gering sind. Wird diese Nervenanspannung aber zu einem Dauerzustand, dann ist ihre schädliche Auswirkung auf den Chirurgen kaum vermeidbar. Zwangsläufig ging daher auch die Sintflut nicht spurlos vorbei und zwar nicht nur an den Patienten, die sie überlebten, sondern auch an den Chirurgen, die zu diesem Oberleben beigetragen hatten. Als erstes machten sich die Anzeichen der übermenschlichen Anstrengungen an Hawkeye Pierce bemerkbar, und das erste Opfer seiner Überreizung wurde der Häßliche John, der Narkosearzt.
Ein guter Anästhesist ist die Grundbedingung für jeden großen chirurgischen Eingriff. Ohne ihn ist auch der beste Chirurg der Welt verloren. Andererseits können selbst relativ unbegabte Chirurgen mit Hilfe eines guten Narkotiseurs erstaunliche Erfolge erzielen. Wenn der Mann am Kopfende des Tisches das chirurgische Problem und die Schwierigkeiten des Chirurgen versteht, wenn er in der Physiologie und Medikation bewandert ist, die nötig ist, damit ein Patient eine riskante Operation glücklich übersteht, wenn er den Kranken im entscheidenden Moment in tiefe, gezielte Bewußtlosigkeit versenken kann, aus der der Kranke bei Beendigung der Operation oder unmittelbar nachher erwacht, dann ist er ein wahrer Anästhesist und ein Segen für die Menschheit. Kann er aber nichts weiter, als den Patienten bewußtlos zu halten, dann ist er bloß ein Vergaser. In Korea gab es viel mehr Vergaser als Anästhesisten, aber in Captain Häßlicher John Black, der mit seinen strahlenden Augen und dem dunklen Haar der bestaussehende Mann der Einheit war, hatte das 4077er einen Anästhesisten.
Der Häßliche John arbeitete vermutlich schwerer als alle anderen Angehörigen des Sanitätscorps. Theoretisch war er wohl nur für die fachmännische Durchführung von Narkosen verantwortlich. Da er aber der einzige Arzt mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Narkotiseur war, fühlte er sich moralisch verpflichtet, jederzeit zur Stelle zu sein. Als Folge arbeitete er nur zu oft tage- und nächtelang durch und gönnte sich nur zwischendurch wenige Minuten Schlaf. Zu Krisenzeiten, wie die Sintflut es war, sahen die Chirurgen ihn nur chronisch erschöpft, aber er gab nicht nach.
Und bei jedem schweren Fall wollten die Chirurgen, daß entweder er selbst die Narkose gab oder sie zumindest überwachte. Allein seine Gegenwart oder das Bewußtsein, daß er gleich vor dem Operationszelt auf einer Pritsche schlief, bedeutete für den Mann am Messer emotionellen Balsam.
Zu den beharrlichsten Kunden des 4077. MASH zählte die Commonwealth Division, die aus britischen, kanadischen, australischen, neuseeländischen und diversen anderen Truppen des britischen Empires bestand und wenige Meilen westlich lag. Captain Black begegnete sämtlichen Ärzten der Commonwealth Division mit unversöhnlichem, glühendem Haß.
Dafür hatte er einen höchst einfachen Grund: sie gaben jedem verwundeten Soldaten 0.06 Gramm Morphium und eine Tasse Tee. Konnte der Soldat den Tee nicht schlucken, bekam er zumindest das Morphium. Als Ergebnis dieser Behandlung mußte oft die Wirkung des Morphiums abgewartet werden, ehe sich der Zustand des Patienten beurteilen ließ. War eine Operation jedoch unaufschiebbar, dann widerfuhr es dem Häßlichen John häufig, daß ihm der Patient bei der Einleitung der Narkose den Tee auf die Hose erbrach. Oft litt der Patient auch an Magen- oder Dünndarmverletzungen. In diesem Fall landete der Tee nicht im Schoß des Häßlichen, sondern der Chirurg saugte ihn aus der Bauchhöhle ab, in
Weitere Kostenlose Bücher