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Masken der Begierde

Masken der Begierde

Titel: Masken der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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nicht immer gleich annehmen,
    wir seien absichtlich gekränkt worden.
    Jane Austen
     
    Ein niederträchtiger Schmied fuchtelte mit Schürhaken vor Lucas’ Augen herum, während sein Gehilfe beständig auf seiner Schädeldecke herumhämmerte. Lucas stöhnte, knurrte und versuchte, den Schmerz sowie den üblen Geschmack im Mund zu ignorieren. Vergebens.
    Jeremy polterte durch den Raum, riss die Vorhänge auf und lärmte mit Löffel und Tasse herum. Lucas blinzelte versuchsweise. Als sich die Beschwerden nicht verschlimmerten, kontrollierte er die Funktionsweise seines Körpers. Erfolgreich setzte er sich auf. Sein Blick fiel auf die leere Brandyflasche am Boden. Damit erklärte sich der Grund für das pelzige Empfinden auf seiner Zunge. Und die Schmiedearbeiten in seinem Schädel. Unglücklicherweise erinnerte er sich nicht mehr, ob ihm das Besäufnis Spaß bereitet hatte. Auch war keiner seiner Freunde auf Halcyon Manor. Was zur Hölle war also vorgefallen, dass er dem Brandy im Übermaß zugesprochen hatte?
    Der Butler stampfte auf ihn zu, hob die Flasche auf und begrüßte Lucas.
    „Mylord, ich habe mir erlaubt, Euch Kaffee zu bringen.“
    Lucas nickte und hielt die Augen zu Schlitzen verengt.
    „Jeremy, hatte ich gestern Besuch?“
    Der Blick des Butlers glitt über Lucas’ Kleidung.
    „Nein, Sir, Ihr seid kurz unterwegs gewesen, habt den Abend jedoch allein im Arbeitszimmer verbracht.“
    Lucas bedeutete dem Butler, dass er gehen konnte. Erst dann nahm er seine Kleidung in Augenschein. Zerknittert, was kein Wunder war, da er darin geschlafen hatte; Socken und Schuhe lagen hingegen vor dem Kamin. Warum hatte er Schuhe und Socken abgelegt? Er hob seine Hand und rieb sich die Stirn. Lucas beschloss, dass er den üblen Geschmack aus seinem Mund vertreiben wollte. Also setzte er sich an seinen Schreibtisch, wo ihn Jeremys Tablett erwartete. Der Kaffee duftete verführerisch. Einen Moment lang begnügte sich Lucas damit, den aromatischen Geruch zu inhalieren. Erst als er sicher war, dass Übelkeit ihm den Genuss nicht vergällen würde, trank er einen Schluck. Stark, heiß und süß rann der Kaffee seine Kehle hinab. Als ihm weder die belebende Wirkung des Heißgetränks noch seine Grübeleien Aufschluss über die vergangene Nacht gaben, entschied er, sich frisch zu machen und die Kleider zu wechseln.
    Morley ließ sich nicht blicken. Vermutlich saß der Kammerdiener in der Küche und ließ es sich gemeinsam mit der Wirtschafterin Mrs. Harvey und Jeremy bei den Resten und dem zweiten Aufguss seines Kaffees gut gehen. Lucas gönnte ihnen das Vergnügen. Wenn es dafür sorgte, dass die Dienerschaft seine Schwester zuverlässig umsorgte, war es ihm recht.
    Und an diesem Morgen verzichtete er zu gerne auf Morleys Anwesenheit bei seiner Toilette. Sein Hemd aufknöpfend trat er ans Fenster, um in den Garten hinabzublicken. Dort standen Allegra und Miss Delacroix und spielten Kricket. Allegra lachte, und ihr überschäumendes Lachen wärmte Lucas’ Seele. Egal was er von Violet Delacroix hielt, Allegra schien sie zu mögen. Das besänftigte sein schlechtes Gewissen Allegra gegenüber, wenn er wieder einmal zu beschäftigt war, um sich um sie zu kümmern. Seine Schwester blickte nach oben und winkte heftig. Miss Delacroix’ Kopf folgte ihrem Blick. Schuldbewusstsein huschte über ihr Gesicht, dann lächelte sie ihm verkniffen zu. Lucas nickte ihnen zu und wandte sich ab. Er konnte sich keinen Reim auf das Verhalten der Gesellschafterin machen. Garantiert war ihre Familie heilfroh, sie los zu sein.
    Er warf seine Kleider auf einen Haufen und begann mit der Rasur. Nach einer Weile nahm er ein unangenehmes Ziehen wahr und lockerte seine Schultern. Die roten Striemen fielen ihm nur auf, weil er sich vor dem Spiegel verrenkte, um die Ursache seines Unwohlseins zu untersuchen. Neugierig und verwirrt betrachtete er die Wundmale. Sie sahen wie Spuren von Fingernägeln aus. Erneut durchforschte er seine Erinnerung. Er wusste, dass er an einen Besuch bei der lustigen Witwe der Gegend gedacht hatte. Die Ereignisse danach lagen aber alle unter einem Nebelschleier verborgen. Hatte er die Witwe nach Halcyon Manor eingeladen? Hatte sie ihm die Kratzer beigebracht? Oder sollten sich die Fingernagelspuren nur als dummer Zufall erweisen? War er im Suff irgendwo hingefallen und hatte sich die Wunden auf diese Weise zugefügt?
    Er beendete seine Morgentoilette und zog sich an. Lucas bückte sich nach den Kleidern vom Vortag, als ihm ein

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