Masken der Begierde
schließlich im Ankleidezimmer verschwand.
Lucas schwang sich aus dem Bett und stöhnte, als sein Kopf die Bewegung mit einem scheußlichen Pochen quittierte.
„Na, wir haben gestern ganz schön einen über den Durst getrunken, Mylord.“ Morley steckte seinen Kopf zur Kleiderkammer heraus. Der Kammerdiener hatte bereits zu Schulzeiten in Lucas´ Diensten gestanden, und da Lucas ihn sehr gern hatte und ihm vertraute, schien Morley zu glauben, sich derartige Unverschämtheiten herausnehmen zu dürfen. Morley besaß kein Fünkchen Verständnis für Alkoholkonsum und zeigte dies überaus deutlich.
Lucas brummte nur, Erklärungen erschienen ihm vollkommen zwecklos. Sein Kammerdiener würde ihm nie glauben, dass er lediglich ein Glas Brandy gehabt hatte. Wenn er ehrlich war, würde selbst er sich der Lüge bezichtigen, angesichts seines Zustandes.
Er schleppte sich zum Waschtisch und warf seinem Spiegelbild einen kritischen Blick zu. Dunkle Schatten lagen unter seinen müde wirkenden Augen. Dazu die Bartstoppeln, die das desaströse Erscheinungsbild komplettierten. Er seifte sein Gesicht mit kreisrunden Bewegungen ein, ehe er zur Rasierklinge griff.
Er zuckte zusammen, als Morley hinter ihm auftauchte und seine Hand versöhnlich ausstreckte.
„Seid so gütig, lasst es mich tun. Ihr scheint mir heute Morgen ein wenig zittrig zu sein.“
Lucas reichte dem dreisten Kammerdiener die Rasierklinge und überließ sich seinen fähigen Händen. Konnte er sich tatsächlich betrunken haben? Ohne Grund, mutterseelenallein? Niemals hatte er weniger Gründe gehabt! Violet und er hatten den unglaublichen Sex gehabt. Nie hatte er auch nur geahnt, dass ihn derartige Praktiken erregen würden und noch weniger, dass eine Frau nicht nur mitmachen, sondern sogar Gefallen daran fände. Danach hatten in ihm für ein paar Stunden Zuversicht und vorsichtiges Hoffen geherrscht. Hoffen, dass er in Violet eine Frau gefunden hätte, die mit ihm und Allegra auf Halcyon Manor leben wollte.
Er erinnerte sich überdeutlich daran, dass er ein Glas Brandy getrunken hatte. Nicht einmal eine Maus verfiele bei einer ähnlichen Menge in einen Vollrausch. Und schon gar nicht er. Hatte er doch am Tag davor zwei Gläser seiner Lieblingsmarke genossen, ohne auch nur den Hauch von Nachwehen des Alkoholkonsums zu verspüren.
Die Erklärung, die Lucas fand, war in Anbetracht der Tatsachen naheliegender. Allerdings auch um ein Vielfaches beunruhigender. Halluzinationen, Kontrollverlust, Erinnerungslücken. Alles deutete auf ein Gebrechen hin. Ein Leiden, das Lady Edwina auf den Scheiterhaufen gebracht hatte, Allegra zur Einsamkeit verdammte und ihn zum Schlimmsten verfluchte: dem Irrsinn.
Als sie am Morgen erwachte, hatte sie immer noch Lucas’ Geruch in der Nase. Die Erinnerung an seine Liebkosungen löste eine wohlige Gänsehaut aus. Vom Bett aus konnte sie aus dem hohen Sprossenfenster sehen. Auf dem schmalen Fensterbrett stand ein frisches Bouquet aus violetten und gelben Blüten, die eien Hauch Süße verströmten.
Sex mit Lucas war unglaublich. Sie hatte es kaum fassen können, als er sie fesselte und sie in ihrer Wehrlosigkeit benutzte. Es hatte sie mehr erregt, als sie auszudrücken imstande war. So zugeknöpft er ansonsten wirkte, erwies er sich doch als hemmungsloser, leidenschaftlicher Liebhaber. Allein daran zu denken, weckte ihr Begehren. Sie warf sich unruhig herum. Lucas vermittelte ihr das Gefühl, alles nur zu tun, um ihre Lust anzustacheln und zu befriedigen. Und gleichzeitig zögerte er nicht, seine eigene Befriedigung einzufordern. Diese Gegensätze, die er verkörperte, zogen sie unwiderstehlich an. Sie schluckte und starrte an die Zimmerdecke.
Robert hatte es ebenfalls verstanden, ihren Körper zum Glühen zu bringen. Ein paar gezielte Schmeicheleien, einige kundige Berührungen und intime Streicheleinheiten und sie war seinen Verführungen erlegen. Er hatte von Liebe gesprochen, von gemeinsamer Zukunft.
Violet lachte rau auf. Dass er ein schamloser Schürzenjäger war und sie nur eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten, hatte sie zu spät gemerkt. Viel zu spät. Monatelang hatten sie geheime Stelldicheins abgehalten, verstohlene Liebkosungen hinter Vorhängen und in lauschigen Nischen. Roberts List und Tücke hätten eine schwächere Frau als sie zerstört. Doch Violet war wie ein Phönix aus der Asche ihres alten Lebens entstiegen und hatte alles hinter sich gelassen. Nie wieder würde sie einen Mann über ihr Schicksal
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