Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
Dschungel so sicher wie nie zuvor. Mach dir keine Gedanken. Für heute ist er erst einmal weg, und wer weiß, wann er wieder auftaucht.«
Ja, Ziagál war weg. Am Nachmittag, als die übrigen Pheytaner zu ihren Hütten zurückgekehrt waren und den Neuzugang unter entzückten Ausrufen bestaunt hatten, hatte der Tiger Reißaus genommen. Anscheinend war ihm der Trubel um seine Person lästig gewesen oder auch nur der Hunger zu groß. Ferin hatte sich der Glückwünsche kaum erwehren können und sich dabei die ganze Zeit entsetzlich gefühlt.
Tamir hatte ihre Annahme bestätigt: Ziagál war tatsächlich noch jung, etwa zweieinhalb, und er hatte den Schutz seiner Mutter Loa erst vor kurzem verlassen, um auf eigenen Pfoten durchs Leben zu wandern. Lange hat er es nicht allein ausgehalten, dachte Ferin bitter. Das sprach nicht gerade für seine Selbständigkeit. Und auch nicht für die Fähigkeit, sie zu beschützen.
19 Zu wenig
S ie rennt. Dicht gefolgt von seinem Schatten, sie ist sein Schatten. Zwei Seelen – eins. In der Halle wird gekämpft. Bücher gehen in Flammen auf, Schriftrollen, Pergamente, so alt und kostbar wie das Leben selbst. Stimmen hinter ihr, Männerstimmen. Das Glas in ihrer Hand vermittelt einen Hauch von Sicherheit. Aber sie braucht Zeit. Zeit, sich zu konzentrieren. Sie nimmt den Geheimgang, hinunter zum Meer. Vielleicht dort … Schritte hallen. So nah schon, so nah. Gischt springt zischend an die Felsen, sie schmeckt Salz auf den Lippen. Der Gang weitet sich. Eine Höhle. Vor ihr kahles Gestein. Wasser sucht sich seinen Weg durch die Risse, tropft in stetigem Gleichmaß auf den Boden. Eine Sackgasse. Ihr Herz tobt. Die Krieger kommen auf sie zu, er stellt sich schützend vor sie. Sie wissen es beide: Es gibt keinen Ausweg.
Mit einem Keuchen fuhr Ferin aus dem Schlaf hoch. Ihr Herz trommelte in ihrer Brust, und ihr Atem flog, als wäre sie gerannt. Gerannt … Sie brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass sie in ihrer Hütte lag und keineswegs gerannt war. Der Traum hallte so intensiv in ihr nach wie nie zuvor. Fast panisch versuchte sie, die bruchstückhaften Bilder zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen – doch wie immer schwirrten sie ihr davon. Nur ein Gefühl blieb zurück: Angst – doch nicht um sich.
Tief in Gedanken versunken machte sie sich nach dem Frühstück auf den Weg zum täglichen Unterricht bei Sobenio und prallte irritiert zurück, als er ihr anstelle einer Begrüßung einen Befehl entgegenschleuderte.
»Heute wirst du in den Dschungel gehen und Crujuschoten sammeln«, sagte er barsch. »Meine Vorräte sind aufgebraucht.«
Im ersten Moment wusste Ferin nichts zu erwidern.
»Hast du mich gehört?«, fragte Sobenio.
»Was soll ich?«, stieß sie hervor, als ihr klar wurde, dass er es ernst meinte.
»Du hast schon richtig verstanden, und ich habe auch keine Lust, mich ständig zu wiederholen. Du bist nicht Jasta.«
»Aber …« Ferin war sprachlos. Sie sollte allein in den Dschungel gehen? Rund um das Rebellendorf bewegte sie sich schon relativ sicher, aber sie war noch nie über Sobenios Haus hinausgekommen. »Ich werde mich verirren«, protestierte sie. »Oder mich verletzen. So tief im Wald gibt es Schlangen, Spinnen und Schwarze Panther.«
»Du bist gut informiert, die besten Voraussetzungen für deine Suche«, sagte er ungerührt. »Die Cruju ist eine der wichtigsten Heilpflanzen bei der Bekämpfung von Infektionen, das weißt du ebenso gut wie ich.«
Ferin sank auf den Steinsockel, stützte die Ellbogen auf die Knie und presste die Finger gegen die Schläfen. Wie konnte er nur so etwas von ihr verlangen?
»Du bist bereit für den nächsten Schritt«, fuhr Sobenio fort. »Du bewegst dich auf einer Kreisbahn, du musst sie verlassen, sonst wirst du auf deinem Weg nicht weiterkommen.«
»Kann nicht jemand mitgehen?«, fragte Ferin in einem letzten Versuch, ihn von seinem Ansinnen abzubringen.
»Nein!«
Sie spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. Obwohl er ein gutes Stück von ihr entfernt stand, konnte sie fühlen, wie eine heiße Welle ihn überrollte.
»Es ist wichtig für dich, auch einmal eine Herausforderung allein zu bestehen«, erklärte er in beängstigend scharfem Tonfall. »Niemand kann dich dabei unterstützen.«
»Ich …«
»Du?« Er trat dicht an sie heran, bedrängte sie geradezu. »Eben nicht! Das bist nicht du! Wie oft denn noch? Ich bin es leid, jeden Tag das Gleiche zu sagen, jeden Tag in dein verzagtes Gesicht zu sehen, in
Weitere Kostenlose Bücher