Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
vereint im täglichen Kampf um das kostbare Licht und in der Eintönigkeit der vorherrschenden Farbe: Grün. Dichtes, sattes, ewiges Grün.
Die Farbenpracht, der sie sich nun gegenübersah, war schlichtweg überwältigend. Und erst der Duft! Gras bedeckte den Boden, ein Meer zartgrüner, scharfkantiger Halme, gekrönt von weißen Blütensternen. Blassrosa Dolden auf fleischigen Stengeln behaupteten sich neben gelb-orange gesprenkelten Kelchen. Am Rand der Wiese wuchs dorniges Buschwerk. Zwischen den Blättern blitzten rote Glocken hervor, die unter dem Gewicht zahlloser Insekten auf- und niedersanken. Ihr Surren übertönte das Flattern Dutzender handtellergroßer Schmetterlinge, die sich im Schwarm von einem Futterplatz zum nächsten bewegten.
Direkt vor ihr stand ein einzelner Baumriese. Er war längst abgestorben und streckte seine knorrigen Äste blattlos zum Himmel. Spinnweben, silbrig schimmernd und so groß wie Wagenräder, spannten sich über das tote Holz. In den Zweigen saßen blau gefiederte Vögel, die mit schräg gelegten Köpfen die Eindringlinge begutachteten. Es mussten zwanzig, dreißig oder noch mehr sein, aber nur einer schickte sein Tschilpen zu Ferin herunter.
Niemals zuvor hatte sie einen schöneren Ort gesehen. Jegliche Angst war wie weggeblasen, sie hätte ewig stehen bleiben und Schönheit, Ruhe und Glück mit tiefen Atemzügen in sich aufsaugen können. Hier war Leben.
Hinter den Büschen säumten mächtige Bäume die Lichtung und an ihren Stämmen kletterten Ranken nach oben bis in die ausladenden Kronen – Crujus. Sie hatte sie gefunden!
Widerwillig riss Ferin sich vom Zauber des Augenblicks los, lief auf einen der Bäume zu und machte sich an die Arbeit. Ziagál folgte ihr. Er überwachte jeden ihrer Handgriffe und wann immer sie sich nach ihm umwandte, guckte er sie aufmerksam an, als wollte er sagen: Ich bin da, ich gebe auf dich acht.
Konzentriert arbeitete Ferin sich von Baum zu Baum. Schnell war der Sack halbvoll. Sie hatte bereits mehr als die Hälfte des Platzes umrundet, als sie im Zurücktreten stolperte. Ein Blick auf den Boden entlarvte den Übeltäter: ein grauer Stein, dessen Form auffallend regelmäßig war. Sie sah genauer hin und fand daneben noch weitere Steine von ähnlichem Aussehen und in der gleichen Größe. Die Steine wirkten, als lägen sie absichtlich dort, als sollten sie den Boden befestigen, als wären sie … Pflastersteine. Mitten im Dschungel? Das war ganz und gar ausgeschlossen. Es musste Zufall sein.
Interessiert und auch ein wenig aufgeregt über ihre Entdeckung ging sie weiter. Die Augen auf den Boden geheftet, wagte sie sich tiefer in den Wald hinein und dachte nicht mehr daran, ihren Weg mittels Markierungen zu überprüfen.
Die Steine wurden zahlreicher. Zwar waren sie teilweise von Moos überwachsen und von Blättern und Gräsern verdeckt, doch rückten sie immer dichter aneinander, und bald hegte Ferin den Verdacht, dass sie sich auf einer Straße befand. Gelassen trabte Ziagál neben ihr her, seine Ohren waren nach vorn gerichtet, sein Schwanz hing entspannt herab. Er schien keine Gefahr zu wittern.
Die Straße führte schnurgerade durch den Dschungel. Streckenweise hatten Büsche und Farne die Erde zurückerobert, so dass es kein Weiterkommen gab und Ferin die Hindernisse mühsam umgehen musste. Langsam meldeten sich auch die ersten Zweifel, ob dieser Ausflug ins Unbekannte so ratsam war, ebenso wie die Warnungen ihres Verstandes, sich nicht zu weit von der Lichtung zu entfernen. Doch sobald die grauen Steine wieder vor ihren Augen auftauchten, siegte die Neugierde, und Ferin schob ihre zwiespältigen Gefühle beiseite. Sie legte an Tempo zu. Eine fiebrige Unruhe hatte sie befallen – welchem Geheimnis war sie hier auf der Spur?
Schließlich erreichte sie eine Art Kreuzung. Ein zweiter gepflasterter Weg mündete von links in die Straße, auf der sie sich befand, und sie wurde daraufhin noch breiter. Vor lauter Aufregung verfiel Ferin in den Laufschritt, Ziagál hielt mit, und nach einem weiteren guten Stück standen sie mit einem Mal vor einem gigantischen steinernen Torbogen.
Fassungslos starrte Ferin auf das Portal – und auf die Steinmauer, die sich beidseitig in den Wald erstreckte. Die Straße war schon eine Überraschung gewesen, aber diese Entdeckung warf sie nun vollends aus der Bahn. Tor und Mauer! Hier, tief im Dschungel?
Sie trat an den Torbogen heran und strich mit der Hand über den verwitterten Stein. Er fühlte
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