Maskenball
ganzen Linie. Die niederländischen Kollegen waren zwar informiert, hatten aber wenig Hoffnung auf einen schnellen Erfolg angemeldet. Die Auswertung der Spuren in Heckers Zimmer hatte erwartungsgemäß auch kein verwertbares Ergebnis zutage gebracht. Der Täter hatte natürlich Handschuhe getragen, vermutlich aus Leder oder Latex. Vielleicht würden weitergehende Analysen durch die Experten des BKA doch noch einige Fingerabdrücke ergeben, die sich durch das dünne Latex gedrückt haben könnten.
Aber die Ergebnisse würden mit Sicherheit mehr als eine Woche auf sich warten lassen. Heckers Mörder musste ein Profi sein. Keiner hatte etwas Verdächtiges in der Klinik oder auf der Station bemerkt. Den Pflegern und Schwestern war jedenfalls niemand begegnet, der vor Ort nichts zu suchen hatte. Das schloss selbstverständlich aber nicht aus, dass sich nicht doch jemand im Arzt- oder Pflegerkittel unbemerkt im Haus bewegen konnte. Denn besonders auf der Station für Verbrennungsopfer war das Tragen von Mundschutz Pflicht, und damit bestand natürlich auch die Möglichkeit, die Masken als willkommene und unauffällige Tarnung zu nutzen. Frank wurde erneut wütend bei dem Gedanken an seine Kollegin, die einfach ihren Platz vor Heckers Zimmer verlassen hatte. Er hätte ihr gerne persönlich gesagt, was er von ihr hielt, aber ihr Dezernatsleiter hatte sich demonstrativ vor seine Kollegin gestellt und sie damit aus der Schusslinie genommen. Frank war auch deshalb so wütend, weil Heckers behandelnder Arzt hatte durchblicken lassen, dass der Rentner gute Chancen auf Gesundung gehabt hatte.
Verhoevens Sohn schien immer noch wie vom Erdboden verschluckt. Die Überprüfung der Passagierlisten der diversen Fähr- und Fluggesellschaften hatten nichts erbracht, ebenso wie die Buchungslisten der Eurotunnelgesellschaft. Entweder hatte Verhoeven England gar nicht verlassen und hielt sich stattdessen irgendwo im Vereinigten Königreich auf, oder er hatte sich unter falschem Namen durch die Kontrollen geschmuggelt. In seinem Haus an der englischen Küste war Verhoeven jedenfalls bisher nicht mehr aufgetaucht.
Frank hatte sich anschließend bei seinen Kollegen bedankt, dass sie trotz Karneval weiter am Ball bleiben und auch Zusatzdienst machen wollten. Frank wusste, dass er ihren freiwilligen Einsatz nicht hoch genug schätzen konnte. Andererseits kamen die Ermittler aus dem gleichen Stall wie er. Wenn sie einmal eine Spur aufgenommen und sich an einem Fall festgebissen hatten, waren sie erst wieder für den normalen Dienst tauglich, wenn sie ihre Arbeit erledigt und den Fall gelöst hatten. Frank nahm sich auf dem Weg in sein Büro vor, den Kollegen eine Extrarunde Pizza zu spendieren.
Eckis aufgekratzte Stimmung brachte Frank sofort zurück in die Wirklichkeit des »närrischen« Präsidiums. Sein Kollege hatte von irgendwoher einen alten Kassettenrekorder organisiert, aus dem laute Musik plärrte.
Frank erkannte den Sultan der Höhner. »Das meinst du doch jetzt nicht ernst, oder? Muss das Ding laufen?«
Statt zu antworten, drehte sich Ecki auf seinem Schreibtischstuhl hin und her und sang lauthals den Refrain mit. »Die Karawane zieht weiter, dä Sultan hätt Duursch.«
Erst jetzt bemerkte Frank, dass ihr Büro mit Luftschlangen dekoriert war. Von der Lampe hingen bunte Bänder, Luftschlangen baumelten vom Aktenschrank, selbst der Teddy hatte welche um seinen Hals geschwungen. »Ecki, bist du von allen guten Geistern verlassen? Was sollen diese dämlichen Luftschlangen in unserem Büro?«
Ecki zuckte fröhlich mit den Schultern. »Die Karawane zieht weiter, dä Sultan hätt Duursch, dä Sultan hätt Duursch.«
Frank verdrehte betont angewidert die Augen. An Karneval war »sein« Ecki nicht mehr Ecki. Schlimm genug, dass er das ganze Jahr über ständig und überall WDR 4 hören musste. Karneval setzte bei ihm dann vollends der Verstand aus, fand Frank. Obwohl er Ecki schon so viele Jahre kannte, an Eckis Ausnahmezustand zur närrischen fünften Jahreszeit konnte und wollte Frank sich nicht gewöhnen.
Frank eilte zum Kassettenrekorder. »Mach das Ding aus, oder es passiert noch ein Unglück! Ich ertrage diese Musik nicht!«
Ecki hielt inne und zog ein beleidigtes Gesicht. Ecki war in seiner Kindheit einmal eine Session lang Kinderprinz gewesen. »Mann, entspann dich, es ist Karneval. K A R N E V A L.« Er buchstabierte das Wort langsam und deutlich, so als sei Frank nicht von dieser Welt und, freundlich gesagt,
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