Maskenball
müssen sofort eine Großfahndung einleiten. Das Telefon seiner Frau muss überwacht werden. Das ganze Programm. Böllmann muss uns grünes Licht geben. Der Typ hat uns doch glatt verarscht mit seinem aufgeblasenen Medizinerethos. Die ganze Zeit! Und wir machen uns auch noch Gedanken, ob wir dem lieben Doktor nicht doch Unrecht tun. Köhler wollte nur hier raus, um seinen Fehler auszubügeln. Er wollte Hecker endgültig mundtot machen. Und seine Frau hat auch noch versucht, ihn zu decken. Hecker hätte ihn mit Sicherheit erkannt und überführt.«
»Wir werden ihn finden, und dann werden wir ihn schon noch knacken. Verlass dich drauf! Warten wir das Ergebnis der Spurensicherung und der Befragung des Klinikpersonals ab. Außerdem haben wir ja auch noch Verhoevens Sohn auf der Liste. Vergiss das nicht!«
»Über die Autobahn bist du von Duisburg aus doch ruckzuck in Holland. Der ist bestimmt schon nicht mehr in Deutschland.« Frank starrte wütend auf das Telefon. »Ich könnte diese feine ›Kollegin‹ würgen. Mann, ist die dämlich.« Frank versuchte, sich zu beruhigen. »Verhoevens Sohn? Den hätte ich jetzt glatt vergessen. Besorg uns ein Foto von ihm und gib es an die Zeitungen im Kreis Viersen. Nein, warte, lass uns erst noch einmal mit Böllmann sprechen, bevor wir uns in die Nesseln setzen. Ich will die absolute Rückendeckung der Staatsanwaltschaft, bevor ich mich hier vorschnell mit irgendwelchen Theorien aus dem Fenster lehne.«
Zwei Tage später war im Präsidium immer noch der Teufel los. Nicht nur im großen Lagezentrum neben der Leitstelle, in dem die Telefone der Sonderkommission »Alte Männer« unablässig klingelten und Aktenordner, Vermerke und Kaffeebecher eilig hin und her getragen wurden, sondern auch auf den verschiedenen Fluren im Alt- und Neubau. Frank hatte sich schon über die merkwürdig aufgekratzte Stimmung gewundert, die ihm an jenem Morgen entgegenschlug, als er seinen MGB auf dem Parkplatz abgestellt hatte und zu seinem Büro unterwegs war. Erst als ihm Susanne Gruyters mit einer großen Schere und drei abgeschnittenen Krawattenresten entgegenkam, wusste er, was los war.
Die Sekretärin des Polizeipräsidenten blieb kurz stehen und musterte ihn mit einem seltsam irren Ausdruck im Blick, sodass ihm für einen Augenblick Angst und Bange wurde. Jetzt nur kein Überfall dieser Furie, dachte er. Aber Susanne Gruyters hatte erkannt, dass er wie immer ohne Schlips und damit kein Opfer für sie war. Sie rauschte an ihm vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Denn sie hatte längst ihr nächstes williges Opfer entdeckt. Frank drehte sich um. Hinter ihm war Horst Laumen aufgetaucht. Der anerkannte Experte für Behördenabläufe und Dienstanweisungen jeglicher Art, der extra zu Altweiber demonstrativ einen bunten »Binder«, wie er sich auszudrücken pflegte, umgelegt hatte, reckte seiner Kollegin bereitwillig das untere Ende der Krawatte entgegen. Dabei legte er eine Hand schützend auf seinen unvermeidlichen gelben Pullunder. Er lachte meckernd, als Susanne Gruyters mühsam ihre Schere durch den karierten Stoff schob.
Frank schüttelte den Kopf. Auch das noch: Altweiber, und er hatte drei Morde aufzuklären, ohne Aussicht auf einen schnellen Erfolg. Er jagte Köhler nach und versuchte gleichzeitig, den phantomhaften Sohn Verhoevens zu finden – und seine Kollegen hatten nichts besseres zu tun, als Karneval zu feiern. Obwohl es noch weit vor elf Uhr war, hörte Frank aus einigen Büros Karnevalsmusik. Das konnte ja heiter werden. Karneval im Präsidium und Fahndung, das passte nicht zusammen. Frank würde in der Dienststelle kaum jemanden finden, der bereit war, über die närrischen Tage zu arbeiten. Wer konnte, hatte frei oder schob möglichst nur Dienst nach Vorschrift. Allein die Fahndung lief weiter. Frank musste trotzdem ein klein wenig lachen, denn ihm kam der Spruch in den Sinn, den ihm Lisa neulich sinnigerweise an die Schlafzimmertür gepappt hatte:
Die Leute hier haben nichts anderes zu tun als den Verstand zu verlieren. – Jeffrey Lee Pierce
Frank schloss die Bürotür hinter sich. Ecki war noch nicht da. Er setzte sich und sah den Teddy an, der in seinem Laufstall saß und ihn aus großen Augen zu mustern schien. Frank musste das Plüschtier endlich mit nach Hause nehmen, genauso wie den Laufstall. Aber im Moment hatte er weder Zeit noch Muße und schon gar keinen Platz für das Teddymonstrum. Zumindest nicht in Lisas Wohnung und so lange Krüger da war.
Frank sah aus
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