Maskenspiel
gegeben haben … aber es ist nicht unser Projekt, niemals, nein.«
Olàlà, dachte Katinka. Da ist aber jemand mächtig frustriert.
»Sind Sie der einzige, der das so sieht?«
»Wissen Sie«, erwiderte Montfort und setzte sich auf seinem Stuhl zurecht. »Dieser Lehrstuhl ist wie die ganze Stadt: Er ist konform, bietet keine Abwechslung, es gibt einen Chef, den alle achten und vor dem sie auf die Knie gehen. Ist es der Bischof, ist es Laubach? Hier drin«, er machte eine ausholende Handbewegung, »ist Laubach der Bischof. Die Exzellenz.«
»Von Fria Burgwart hatte ich eher den Eindruck, das Projekt sei ihr Daseinsgrund.«
»Ja, Fria«, rief Montfort, betonte ganz französisch das a , blickte rasch zur Tür und flüsterte dann: »Wissen Sie, wir dürfen nämlich normalerweise die Türen nicht schließen, wenn wir anwesend sind. So können Laubach und seine Sekretärin uns permanent auf die Schulter gucken.«
» Über die Schulter«, verbesserte Katinka und kam sich idiotisch vor.
» Über die Schulter, sagt man? Interessant, ich hoffe, ich kann mir das merken. Denn … ich habe mir das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Bamberger Dialekt in den drei Jahren, die mein befristeter Arbeitsvertrag mir lässt, wirklich gut zu erlernen. Mon Dieu, man braucht doch auch ein Ziel für sich persönlich!«
»Sie wollten noch etwas über Fria Burgwart sagen«, erinnerte Katinka.
»Ach, Fria, wissen Sie, sie ist mit dem Projekt verheiratet, eigentlich mit dem Lehrstuhl. Sie arbeitet nachts, sie arbeitet am Wochenende, eigentlich ist sie immer hier. Und sie lässt nichts auf Laubach kommen, nichts. Sogar mit Madame Först versteht sie sich, und das ist eine Kunst. Weil diese Sekretärin, also, ich sage Ihnen … Sie ist ständig hinter uns her, mit Tabellen und Listen, wir sollen unsere Arbeitszeiten eintragen und unsere Unterrichtszeiten, und wenn wir uns einen Bleistift aus dem Materialschrank nehmen, müssen wir Datum und Uhrzeit draufschreiben. Du meine Güte!« Er blies sich die braunen Ponys aus der Stirn.
»Wie steht es mit den anderen Mitarbeitern?«
»Ob Sie das Projekt mögen, meinen Sie? Aber sicher tun sie das! Elfi Lodenscheidt kann nichts anderes. Sie … hat ähnlich wie Fria kein Privatleben. Arbeitet sehr hart, das Mädchen.«
Katinka machte sich eine Notiz auf ihrer Liste.
»Dann Carsten, unseren Pechvogel. Ihm sind alle seine Dateien abhanden gekommen. Er hatte seine Doktorarbeit, von der er schon ein Drittel mindestens fertig hatte, nur auf einer einzigen Diskette gesichert. Da braucht nur mal jemand mit einem großen Magneten drüberzufahren, und schon ist sie hin!«
Katinka sah von ihrem Notizbuch auf.
»Verzeihung!« Zum ersten Mal verlor Montfort die Fassung. Er wurde krebsrot. »Selbstverständlich, ganz selbstverständlich, ich meine nicht, dass ich vorhätte, Carstens Daten zu zerstören …«
Er schaufelte durch sein Haar, das nun in alle Richtung abstand. Unruhig schüttelte er den Kopf, um die Strähnen wieder an die richtigen Liegeplätze zu befördern.
»Dann sind da noch zwei Studenten, die am Projekt mitarbeiten. Sie recherchieren im Internet Literatur, sie schleppen Bücher aus der Bibliothek heran, sie korrigieren mal ein paar Einträge, wenn Elfi, Fria oder ich keine Zeit haben, das selbst zu machen.«
»Kennt Frau Först das Passwort eigentlich auch?«
»Die Först? Denken Sie etwa, die Först könnte unsere Daten durcheinander bringen?«
»Kennt sie das Passwort?«, wiederholte Katinka. Montfort begann, ihr auf die Nerven zu gehen.
»Kennt sie nicht!«, knurrte Montfort.
»Glauben Sie, dass Stielke seine eigenen Dateien verschusselt hat?«
»Ach!«, machte Montfort. »Der interessiert sich doch auch für nichts anderes als seine wissenschaftliche Karriere.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Katinka und genoss das verwirrte Grinsen auf Montforts Gesicht. »Haben Sie einen Verdacht oder eine Vorstellung, wer von Ihren Kollegen die Manipulationen an der Datenbank vornimmt und die Post versteckt?«
Bei dem Wort Post zuckte Montfort zusammen.
»Das haben Sie alle schon gefragt, oder?«, wollte er wissen. »Und Fria hat sofort gesagt, Ludovic war’s. Der böse, fiese Ludovic, der ab und zu auch mal ein wenig Freizeit will und nicht am Wochenende noch mit den Kollegen eine Radtour unternehmen.«
»Waren Sie es?«
»Natürlich nicht!«, fauchte Montfort. »Ich bin froh um den Job. Wieso sollte ich ihn aufs Spiel setzen?«
»Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geliehen haben«, sagte
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