Maskenspiel
Professor Laubach möchte nicht, dass die Bürotüren während der Arbeitszeit geschlossen sind.«
»Lassen Sie mal!«, sagte Katinka. »Sie arbeiten jetzt nicht, sondern Sie stehen mir Rede und Antwort. Das ist so was wie … eine mündliche Prüfung.«
Stielke setzte sich wieder. Schweiß perlte um seine Nase.
»Wie kann denn eine Diskette abhanden kommen? Hütet man sie nicht wie einen Augapfel, wenn es die e inzige ist?«, knüpfte Katinka den Faden weiter. Die stickige Luft machte sie klaustrophobisch.
Carsten Stielke leckte über seine trockenen Lippen. Zittrig fuhren seine Kinderfinger an der Computertastatur entlang.
»Ich arbeite an verschiedenen PCs, da ich keinen eigenen habe«, sagte er belegt.
»Warum brennen Sie sich nicht ab und zu eine CD mit dem Zwischenstand?«, fragte Katinka ehrlich interessiert.
»Das … Brennprogramm geht gerade nicht«, sagte Stielke und drückte aus Versehen auf eine Taste. Der Computer gab zwei aggressive Piepstöne von sich. Stielke zuckte zusammen und fixierte suchend den Bildschirm.
»Wirklich fatal«, sagte Katinka. »Aber vielleicht können Sie mir einen Tipp geben, was diese andere Geschichte angeht.«
»Welche?«, fragte Stielke.
»Na, hören Sie mal, der Lehrstuhl spricht doch von nichts anderem, oder?«, fragte Katinka brüsk.
»Die … Dateien … für das Projekt?«
Katinka fand, dass Stielke wirklich nicht gerade die besten Nerven hatte. Das Gespräch warf ihn regelrecht aus der Bahn. Rasch zog er die Finger unter seine Pulloverärmel, als er bemerkte, dass Katinka sie musterte.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wo war denn die Diskette, als sie verschwand?«
»Hier, im Bibliothekszimmer. Ich habe sie im Laufwerk vergessen und bin heimgegangen. Zu Hause fiel mir auf, dass ich sie nicht hatte.«
»So was Wichtiges vergisst man?«
»Es war schon sehr spät. Ich hatte an dem Abend lange gearbeitet.«
»Wann war das?«
»Letzten Donnerstag«, flüsterte Carsten Stielke. Er hob die Stimme, als handele es sich um eine Frage.
»Warum sind Sie nicht noch einmal hergekommen, um Ihre Diskette zu holen? Wenn so wichtige Dokumente darauf waren?«
»Ich wohne außerhalb von Bamberg, in Viereth«, sagte Carsten Stielke. »Es ist einfach zu weit, noch mal zehn Kilometer hin und zehn zurückzufahren. Und ich hatte ja auch keinen Anlass zu glauben, dass jemand sie klaut. Ich …« Er sah wieder auf den Bildschirm. Ein großer roter Fisch segelte darüber hin.
»Schöner Bildschirmschoner«, sagte Katinka. Sie wollte hier raus. »Und wie ging es weiter?«
»Am nächsten Morgen kam ich sehr früh hierher. Schon kurz nach acht. Frau Först war auch gerade gekommen. Ich bin gleich ins Bibliothekszimmer gestürmt, aber die Diskette war nicht mehr da.« Platt blickte er in Katinkas Gesicht.
»Wie erklären Sie sich das?«, wollte Katinka wissen.
»Ich … weiß nicht … jemand muss sie genommen haben!«
»Zweifellos«, bestätigte Katinka. »Von allein ist sie sicher nicht aus dem Laufwerk gesprungen und auf Wanderschaft gegangen.«
»Nein«, sagte Stielke.
»Wer hat sie Ihrer Meinung nach genommen? Niemand hört uns! Die Tür ist ja zu. Sprechen Sie Ihren Verdacht ruhig laut aus!«
Carsten Stielke betrachtete seine Knie, verfolgte dann den Segelflug des Fisches auf dem Bildschirm und sagte halblaut:
»Ich weiß es nicht. Aber vermutlich jemand, der in jener Nacht noch hier gearbeitet hat.«
»War noch jemand hier, als Sie gingen?«
Stielke wand sich. Schließlich sagte er, wobei er die Worte fast verschluckte:
»Ja. Frau Burgwart.«
»Aber Sie glauben nicht, dass sie es war?«
»Wie … wieso?«, fragte Stielke und fummelte an der Maus herum. Der Fisch verschwand, und die altbekannte blauschimmernde Word für Windows -Oberfläche war wieder zu sehen.
»Ich höre das aus Ihren Worten«, sagte Katinka. »Täusche ich mich?«
»Ich … äh … nein, ich meine, nein, so habe ich das nicht sagen wollen!«
»Frau Burgwart arbeitet recht häufig in der Nacht, oder?«
»Nachts nicht unbedingt, aber sie bleibt abends sehr lange.«
»Könnte eine Putzfrau die Diskette rausgenommen haben?«
»Glaube ich nicht«, antwortete Stielke rasch.
»Ich frage mich nur«, sagte Katinka, »so eine Diskette bemerkt man doch gar nicht, wenn der Computer ausgeschaltet ist. Der Tower steht ja unter dem Tisch!« Sie wies auf Carsten Stielkes Füße.
»Ja. Genau!«, bekräftigte Stielke.
»Die Person, die Ihre Diskette genommen hat, muss gewusst haben, dass sie da
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