Maskenspiel
dieser Art also sparen.
Und was du da wieder anhast … immer in Jeans, raunte die Wespe und sauste um ihren Scheitel. Meinst du nicht, Tom fände ein Kleid netter? Was Hübsches, bisschen Schickes?
Es ist April, antwortete Katinkas Kopf der Kontrollwespe. Außerdem hasse ich Strumpfhosen. Ich kriege Krätze von ihnen. Und jetzt schwirr ab.
Sie schüttelte den Kopf, als müsste sie die fiese Wespe körperlich loswerden, und warf rasch einen ängstlichen Blick zu Tom. Wie üblich verliefen Katinkas innere Tragödien unter Ausschluss seiner Wahrnehmung. Tom ging selektiv vor. Lichtjahre zuvor hatte sie mit einem Typen namens Sven für einige Monate Bett und Tisch geteilt. Mit ihm war es genauso gewesen. Männer sind lineare Typen, dachte Katinka resigniert. Sie kriegen nur eins nach dem anderen mit. Aber vielleicht ist das auch ganz praktisch. Man kann ziemlich gut eine Menge vor ihnen verheimlichen.
Tom stieß die Tür zum Pizzini auf.
»Komm schon, Kat the Catey«, sagte er fröhlich. Die Aussicht auf ein spritziges Glas Frankenwein belebte ihn.
Sie betraten die enge, dunkle Weinstube und setzten sich an ihren Lieblingsplatz am Kachelofen. Tom griff sofort nach der Getränkekarte und bestellte sich einen Sylvaner.
»Ich nehme das Gleiche«, sagte Katinka zerstreut. Tom hatte leicht reden. Er hatte sein Geschichtsstudium abgebrochen, aus Realitätssinn, wie er gerne betonte, und sich zum Programmierer weitergebildet. Auch er war Selbständiger, aber im Unterschied zu Katinka mit Arbeit eingedeckt. Mitunter schuftete er 12 Stunden täglich und mehr vor dem Bildschirm.
Ich gebe mir noch Zeit bis zu den Sommerferien, nahm sie sich vor, während sie die vielen unterschiedlichen Zeichnungen und Gemälde betrachtete, die an den Wänden hingen. Bis August. Wenn ich dann keinen Auftrag habe, sehe ich zu, dass ich einen Job bei einer größeren Detektei kriege. Und außerdem könnte ich zu Tom ziehen. Ich würde eine Menge Kohle sparen.
»Woran denkst du?«, fragte Tom.
Sieh an, grinste Katinka in sich hinein, er merkt, dass ein Kampf im Kopf abgeht.
»Ach, so jobmäßig.«
Sie war sich nicht im Klaren darüber, ob sie das Zusammenziehen gerade jetzt thematisieren wollte.
»Keine Panik«, sagte Tom, hob sein Glas und sah ihr tief in die Augen. »Du schaffst das. Trinken wir drauf. Auf Privatdetektivin Katinka Palfy.«
Katinka musste lachen. »Versprich mir, dass du nie mehr über meine beruflichen Abgründe lästerst.«
»Versprochen!«
Die Weingläser klirrten leise. Tom ist schon in Ordnung, entschied Katinka.
»Zum Wohl, Tom Dooley«, sagte sie. Sie nahm die Brille wieder ab. Im Moment wollte sie nicht scharf sehen.
2. Der Auftrag
Am nächsten Morgen erreichte Katinka halbwegs ausgeschlafen ihr Büro in der Hasengasse mit dem unbestimmten Gefühl, dass etwas geschehen würde. Frühlingszeit war Aufbruchszeit. Auf dem Weg durch die Lange Straße war sie mehrmals zwischen all den frühlingshaft bunt gekleideten Leuten stecken geblieben. Kaum grüßte der Lenz, schlichen die Leute wie die Schnecken und blockierten die Fahrradwege. Beinahe wäre Katinka mit einem Neufundländerhund zusammengestoßen, dessen Besitzer irgendwas von Tierschutz grummelte. Katinka gab eins drauf, vermied den sehnsuchtsvollen Blick in den Optikerladen gegenüber, wo sie vor immerhin schon drei Jahren ihre jetzige Brille gekauft hatte, verdrängte den Gedanken an Kontaktlinsen, die sie sich nicht lesiten konnte, nahm den Weg durch die Austraße und bog endlich in die Hasengasse ein.
Nachlässig lehnte sie ihr Rad an die Wand, schloss auf und drückte gegen die Tür. Täglich schleifte sie mit dem gleichen heimtückischen Geräusch über den Boden.
15 Quadratmeter, ein Schreibtisch, Telefon, 2 Besuchersessel, ein Bürostuhl, rückenfreundlich, ein großer Terminplaner an der Wand, ein Hochglanz-Dalí-Poster, ein Plakat über eine Ausstellung der Harry-Potter-Illustratorin Sabine Willharm in der Villa Dessauer, ein Ikea-Kleiderständer und das obligatorische Regal mit juristischen Nachschlagewerken empfingen sie in der Hasengasse 2a. Katinka warf ihre Jacke in den kleinen Nebenraum, wo sich neben einem Spülbecken, Wasserkocher, einem Geschirrschränkchen und dem Faxgerät auch der Ausgang zum gemeinschaftlichen Korridor befand, an dessen Ende die Toilette lag, ein Etagenklo, übrig geblieben aus alter Zeit. Sie checkte Anrufbeantworter und Fax, aber natürlich hatte niemand angerufen oder geschrieben. Routinemäßig kontrollierte
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