Maskenspiel
keine Fehler.
Bin ich exzentrisch?
Ich habe ein Buch über Exzentriker gelesen. Vielleicht sollte man mich dazuzählen.
Exzentrisch genannt zu werden, würde mir schmeicheln.
17. Die Tagung
Das nachmittägliche Gespräch mit der Psychologin Dr. Gabriele Borst bestätigte, was Katinka sich bisher zusammengereimt hatte. Sie warf mit vielen Fachbegriffen um sich, die Katinka pflichtbewusst notierte, doch sie hatte den Eindruck, durch scharfe Beobachtung und gesunden Menschenverstand die Zusammenhänge schneller und besser zu begreifen: Hier ging es um das Amalgam aus Angst und Neid, aus dem unsichere Menschen pathologische Züge entwickelten.
»Angst vor Misserfolg kann so bedrängend werden, dass in einem besonders dramatischen Fall sogar ein Mord vorstellbar ist. Und bedenken Sie, wie stark sich Menschen an andere, vermeintlich stärkere, anlehnen wollen«, betonte Frau Borst.
»Nicht alle«, fühlte Katinka sich zu sagen berufen.
Sie verließ das Marcushaus in dem Bewusstsein, die richtige Spur gefunden zu haben.
Den Rest der Woche übte sie sich in Geduld. Ab und an radelte sie an Laubachs Lehrstuhl vorbei, ging aber nicht in den ersten Stock hinauf. Unruhig wartete sie auf den Freitag. Es fiel ihr schwer, regelmäßig zu essen. Alltagshandlungen kamen ihr unerheblich und bedeutungslos vor. Zwei Mal telefonierte sie mit Uttenreuther, und beim zweiten Telefonat hörte sie aus seiner Reaktion, dass er genervt war:
»Hören Sie, Palfy, ich habe hier noch andere Fälle liegen. Mein Schreibtisch quillt über. Es mag ja sein, dass die Schizophrenen an der Uni Ihr Haus- und Hofprojekt sind, aber ich habe zu tun.«
Mit rotem Kopf legte Katinka den Hörer auf die Gabel. Er hatte ja Recht. Kurz überlegte sie, wie schnell sie an einen neuen Fall kommen würde, wenn dieser hier abgeschlossen war. Doch Britta beruhigte sie bei einem Kaffee im Cador .
»Wir bringen natürlich einen Artikel«, sagte sie fröhlich, »und die Leser werden deinen guten Namen lesen, verinnerlichen und bei Problemen zu dir kommen.«
»Es wäre ganz günstig, wenn wir beide auf der Tagung so tun, als kennten wir uns nicht«, schlug Katinka vor. »Nicht wegen der Eigenwerbung, sondern um den Verdächtigen keine Möglichkeit zu geben, sich noch vorsichtiger zu verhalten, als sie es ohnehin schon tun werden!«
»Klar doch!«, sagte Britta zerstreut. Dann lenkte sie das Gesprächsthema schnell wieder auf ihre neue Flamme, praktischerweise personifiziert in ihrem Arbeitskollegen Alban Hanke. Katinka war dankbar für die Abwechslung, die Brittas Verliebtheit ihr bot, obwohl sie Bedenken hatte, dass Brittas glühende Leidenschaft irgendwann an ihren rigiden feministischen Auffassungen zerbrechen würde.
Am ersten Mai unternahm Katinka mit Tom eine Radtour am Main-Donau-Kanal entlang. Tom war offensichtlich der Meinung, er müsse die Sportlichkeit seiner Freundin herausfordern.
»Damit du endlich mal wieder ruhig schläfst, und das sollte kein Problem sein, sobald du mal 40 Kilometer geradelt bist«, sagte er. Katinka fühlte sich peinlich berührt. Es stimmte: In der letzten Zeit hatte sie Tom wenigstens einmal pro Nacht mit ihrer Unruhe und ihren desaströsen Träumen aus dem Schlaf gerissen.
Auch in der folgenden Nacht wurde sie von allerhand Gespenstern gejagt. Ein Albtraum rammte den nächsten aus dem Weg, wie böse, schnoddrige Aperçus folgten sie einander und suggerierten Katinka die schlimmsten und peinlichsten Geschehnisse.
Am Freitagmorgen bereitete sie sich sehr genau vor. Sie kontrollierte ihre Waffe und fuhr dann in der Hasengasse vorbei, um Anrufbeantworter und E-Mails zu checken. Vor ihrer Tür lag ein ganzer Haufen WoBlas . Katinka schob die Zeitungen mit dem Fuß weg. Sie schrieb die Kündigung an ihren Vermieter und klebte eine Briefmarke auf den Umschlag, um den Brief sofort einzuwerfen und die Entscheidung nicht wieder hinauszuzögern. Sie ergänzte ihren Bericht, druckte ihn erneut aus und überprüfte so, wie Tom ihr gezeigt hatte, ob jemand versucht hatte, den Laptop in Betrieb zu setzen. Negativ. Fast war sie enttäuscht. Die Zeit stand still. Nervös und unruhig schlich sie zwischen Nebenraum und Büro hin und her, bis sie sich schließlich aufraffte, um beim Kapuzinerbeck Schokoladencroissants zu kaufen. Nebenbei erkundigte sie sich, ob die Bestellung für Professor Laubach schon abgeholt worden war. Es war zwölf Uhr.
»Nein, die sollen jeden Moment wegkommen«, sagte die Bäckerin. »Wir liefern sie
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