Maskenspiel
Geschwistern mitbekommen und sich berufen gefühlt, einzugreifen. Er hatte eine gehörige Portion Alkohol intus. Jedenfalls wartet auf Schneider eine Anzeige wegen Körperverletzung. Außerdem hatte er falsche Papiere bei sich. Zusätzlich zu der Drogengeschichte gibt das eine lange Latte Unannehmlichkeiten für ihn.«
Katinka machte eine zustimmende Bemerkung und weihte den Kommissar dann in ihren Plan ein.
Er hörte stumm zu, schließlich sagte er:
»Darauf kann ich mich nicht einlassen.«
Katinka redete weiter. Ganz gelassen klang ihre Stimme. Mach mit, flehte sie lautlos.
»Es wäre doch nur bis spätestens dritten Mai«, insistierte Katinka.
Uttenreuther seufzte und sagte, nachdem er sich noch ein paar Mal geziert hatte: »Na, gut.«
Katinka bedankte sich, legte auf und sprang von ihrem Stuhl hoch.
»Hurra!«, schrie sie so laut, dass eine Studentin, die beladen mit dicken Büchern und ebenso vielen Kopien durch die Hasengasse hastete, furchtsam durch die Scheibe blickte. Katinka winkte ihr grinsend zu. Anschließend schlug sie eine neue Seite in ihrem Notizbuch auf und wählte die Nummer von Dr. Gabriele Borst, der Psychologin, die sich mit Persönlichkeitsdefekten auskannte. Sie erhielt einen Termin für den späten Nachmittag. Jetzt musste sie sich nur noch mit Ruth Lebewang verständigen. Katinka wählte ihre Nummer und erreichte sie, wie Ruth genervt behauptete, zwischen Tür und Angel.
»Ruth, bitte kommen Sie gleich bei mir in der Hasengasse vorbei.«
»Ich denke nicht daran«, gab Ruth wütend zurück.
Katinka brauchte beinahe eine Viertelstunde, um Ruth zu verklickern, dass ihr Leben in Gefahr sein konnte und sie womöglich Henrys Schicksal würde teilen müssen, wenn sie sich nicht vorsichtig verhielte.
Ruth kam in die Hasengasse. Sie wirkte geknickt und fahrig. Katinka erfuhr, dass Ruth und eine weitere Studentin als Mädchen für alles während der Tagung am Wochenende beschäftigt sein würden.
»Mädchen für alles?«
»Na ja, kopieren, Taxis rufen, Sachen mit den Hotels klären, Kaffee kochen, die vorbereiteten Schinkenhörnchen vom Kapuzinerbeck abholen …«
Katinka fragte nach dem Namen der anderen Studentin.
»Nina Weiß.«
»Hat sie sonst auch mit dem Lehrstuhl zu tun?«
»Nein, aber Helena Jahns-Herzberg hat sie vorgeschlagen, weil sie wohl eine sehr gute Studentin ist.«
Gut mag willig heißen, überlegte Katinka, denn zum Kaffeekochen und Schinkenhörnchentragen braucht man nicht gerade fachliche Qualifikationen.
Sie schärfte Ruth ein, vorsichtig zu sein und keinesfalls nachts ins Büro an der Weide zu gehen, sich nicht an einsamen Plätzen aufzuhalten und so fort. Ruth trat in die schattige Hasengasse hinaus und lief davon, ohne zu grüßen. Katinka rieb sich die kalten Hände. Es musste einfach klappen.
Am Mittwoch, vor dem Feiertag, radelte Katinka recht früh in die Hasengasse. Unversehrt fand sie ihr Büro vor. Tom hatte den Passwortschutz in ihrem Laptop aktiviert, eine Kennung aus beliebig zusammengestellten Buchstaben und Ziffern ausgesucht. Niemand hatte auf die neue Kassette ihres Anrufbeantworters gesprochen. Katinka rief bei Laubach zu Hause an. Keiner ging an den Apparat. Also war der Professor schon unterwegs, vermutete Katinka. Es wurde Zeit, dass sie zum Lehrstuhl aufbrach.
Nach dem sonnigen Wetter der letzten Tage war der Himmel an diesem Tag wolkenverhangen. Passt zu meiner Stimmung, überlegte Katinka, als sie wachsam die Kapuzinerstraße entlangfuhr und sich immer wieder umsah, ob ein weinroter VW Touran irgendwo zu sehen war. Als sie am Marcushaus vorbeifuhr, begann es zu regnen. Sie scherte sich nicht weiter darum, sondern setzte ihre Kapuze auf und hielt schließlich gleich beim Spielplatz an, gegenüber von Weide 18, wie neulich nachts.
Es mochte sein, dass Montfort oder jemand anders im Assistenten- oder Bibliothekszimmer sie sah. Katinka störte das nicht. Sie war sich ihrer Sache jetzt sicher. Wenn sie den sturen Hauptkommissar rumgekriegt hatte, sollte auch Laubach mitspielen.
Eine halbe Stunde später rollte er heran, kutschiert von seiner in bunte Schals gehüllten Frau Lisbeth in einem silbergrauen Mercedes , der von seinen Herstellern als so oberklassig verstanden worden war, dass er nicht einmal eine Modellbezeichnung am Heck vertrug. Lisbeth Frinke-Laubach hielt an. Ihr Mann wälzte sich vom Beifahrersitz, ging gemessen zum Kofferraum, entnahm ihm eine Aktenmappe und knallte den Deckel zu. Lisbeth fuhr ruckelnd an und bog in
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