Maskerade
erkundigte er sich. „Tragen Sie noch immer tiefe Trauer um den jungen Mann, der auf und davon ist?“
Sie wurde rot. „Das ist nicht nett von Ihnen, in der Weise auf meinen Kummer anzuspielen.“
„Es ist besser, als das Thema zu ignorieren. Es reinigt sozusagen die Luft.“ Er grinste breit. „Ich dachte, ich sollte zumindest nachfragen, da ich mich noch nie in einer solchen Situation befunden habe.“
„Dann betrachten Sie bitte die Luft als gereinigt“, fügte sie sauer hinzu.
Er lehnte sich zurück und lächelte wieder sein entwaffnendes Lächeln. „Ich glaube, Sie sind inzwischen ein bißchen erwachsener geworden. Sie erscheinen ruhiger und überlegener, und es umschwebt Sie auch nicht mehr so sehr die düstere Wolke der Tragik. Ich wette, Sie sind gern hier, stimmt’s ?“
Sie tat, als hätte sie den letzten Satz nicht gehört. „Die Schule macht mir viel Spaß“, berichtete sie vorsichtig. Der Kellner brachte ihr Getränk, und sie konzentrierte sich auf das Auswickeln des Strohhalms.
„Das freut mich. Da ich seihst noch keinen Kursus in Mode genommen habe, hätte ich gern etwas darüber gehört.“
Diesen Wunsch erfüllte sie ihm, und zwar mehr als ausführlich, wobei sie Penny, Melanie und Cara einschloß. Es war leicht und angenehm, zu ihm zu sprechen, weil er ihr mit großem Interesse zuhörte. Da saß er ihr gegenüber, die breiten Schultern in die Ecke gedrückt, als sei die Nische viel zu eng. Er hörte ihr zu mit einem Lächeln in den Augenwinkeln. Sein weißes Hemd war am Hals geöffnet, sein schwarzer Pullover stimmte genau mit seiner Haarfarbe überein, und seine Augen, bemerkte sie, schillerten wie Quecksilber.
„Sie wollen also einmal Modeschöpferin werden“, folgerte er schließlich und betrachtete sie aufmerksam.
„Jawohl! Und nun sind Sie an der Reihe. Was haben Sie getrieben, und was möchten Sie mal werden?“
Ohne zu zögern, begann er, von seiner Arbeit zu sprechen, in der er, wie er sich ausdrückte, bis über die Ohren steckte. Sein schwierigstes Fach war Philosophie. Er bewohnte ein Zimmer mit einem jungen Mann namens Phil Schuster, und später einmal, wenn er sein Examen bestanden hatte, wollte er Geschichte lehren. Das hoffte er jedenfalls.
„Oh, oh“, unterbrach er sich plötzlich, „man hat uns entdeckt. Die drei gingen mit mir zusammen in die Stadt heute abend und gaben vor, zur Bibliothek zu wollen, aber da sind sie. — Hallo!“ Er stand auf und begrüßte die drei Jungen, die eben in den Drugstore traten und auf die Nische zukamen. „Liz, dies ist... Nun, es hat keinen Sinn, Familiennamen zu nennen; die vergißt man ohnedies sofort. Dies ist also Herb, dieser Junge hier heißt Lennie , und das hier ist mein Zimmergenosse Phil. Darf ich euch drei mit Liz bekannt machen?“
Phil Schüler war blond und sehr ernst, Herb lang und schlank, und unter Lennies Kupferdach schaute ein grimmiges Grinsen hervor, das in sein Gesicht eingeschnitzt zu sein schien. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, setzten sie sich und wandten sich sofort mit sehr komplizierten Fragen, die gemeinsame Unterrichtsfächer betrafen, an Marc. Liz ignorierten sie dabei völlig. Einmal schickte Marc ein hilfloses Augenzwinkern zu ihr herüber und zuckte mit den Schultern dazu, aber die drei Jünglinge beschlagnahmten weiterhin sowohl die Unterhaltung als auch Marc. Liz trank ihr Glas aus, spielte ein bißchen mit den geknickten Strohhalmen und fing schließlich vor lauter Langeweile an zuzuhören, was Phil redete. Er sprach sehr lange und sehr ernst über jemand namens Schliemann. Irgendwo in ihrem Gedächtnis gab es einen Widerhall.
„Ist das etwa Heinrich Schliemann, der Archäologe?“ fragte Liz.
Phil drehte sich zu ihr um und maß sie mit einem ungeduldigen Blick, während seine Freunde verwundert aufschauten.
„Ja“, bestätigte Phil kurz und trocken, worauf sich die drei Augenpaare erneut auf Marc konzentrierten. Schliemann und Troja, sann Liz und dachte an Pennys kleinen Vortrag über diesen Mann. Sie war recht stolz darauf, seinen Namen behalten zu haben.
Marc erinnerte schließlich taktvoll daran, daß er hier mit einer jungen Dame verabredet sei, und wiederum wurde Liz abschätzend und etwas staunend betrachtet. Doch dann verstanden die drei den Wink. Sie erhoben sich von ihren Plätzen, verabschiedeten sich und gingen endlich.
„Sie sind eben noch sehr jung“, versuchte Marc seine Freunde zu entschuldigen. Er sah dabei belustigt auf Liz. „Sie haben nicht geglaubt,
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