Maskerade
rissen die Mäntel aus den Schränken und rannten davon, bis ihnen in der Anlage der Atem ausging. Da blieben sie schnaufend stehen und lachten sich an. Als sie dann in der Schule ankamen, war es nicht einmal so spät, wie sie gedacht hatten. Im Zimmer 118 fanden sie das blaugrüne Kordkleid an einem Haken neben einem Schrank hängen, und Liz nickte Penny freudig erregt und ermunternd zu: „Wir sind wirklich nicht aufgeregt, nicht wahr, Penny?“
„Natürlich nicht, keineswegs“, gab Penny prompt zurück, obwohl das Kleid zusammen mit Zimmer 118 ihr ins Gedächtnis zurückrief, daß in Kürze mehrere Hundert Menschen sie anstarren würden. Bei dem Gedanken wurde ihr nun doch ein wenig übel. Vom unteren Stockwerk drangen aus der Aula die Klänge des Orchesters herauf, das einen altmodischen Walzer spielte. Sie versuchte, sich klarzumachen, daß für die meisten Gäste die Modenschau nur eine Unterhaltung war, mit der eine Tanzpause anregend ausgefüllt werden sollte, aber trotzdem klopfte ihr das Herz. Man hatte ihr gesagt, daß unter den Anwesenden viele bedeutende Leute aus der Welt der Mode sich befänden, die darum in jedem Jahr mit besonderer Begeisterung zu dem Fest kamen, weil sie einst selbst wie Liz angefangen hatten.
Mr. Alfonso kam mit den Schminkutensilien, und irgend jemand rief über den Flur, daß die Pause begonnen habe und man eben den Laufsteg für die Modenschau aufstelle.
„Dann also los, Kinder!“ setzte Miß Hutchins die Schar ihrer Schützlinge in Bewegung. Liz versetzte Penny einen leichten Stoß und flüsterte: „Viel Glück, Pen! Ich schau’ zu und halte die Daumen!“
Penny ging mit den andern die Treppe hinunter und durch die Bühnentür hindurch. Sie hatte jetzt ausgesprochen Angst, und ihr Magen schien sich umzudrehen. Sie hörte zischende Geräusche aus einem Mikrophon, und dann setzte das Orchester ein. Prompt marschierte die erste Mutige an der Spitze der Reihe durch die Kulisse auf die Plattform hinaus.
Das kann ich nie, wirbelte es durch Pennys Kopf, was in aller Welt tu’ ich hier?
„Los, Penny! Es ist soweit!“ hörte sie da bereits Miß Hutchins flüstern.
„Ich kann nicht“, jammerte Penny und schloß die Augen, „mir ist so schlecht. Wirklich!“
„Aufrecht!“ erinnerte Miß Hutchins , „Schultern zurück!“
Penny hiß die Zähne zusammen, daß es knirschte. Schultern zurück! Kopf hoch! Hand auf die Hüfte! Als sie die Augen öffnete, traf sie bereits der Scheinwerfer mit blendender Helle.
Eine verbindliche Stimme irgendwo im Hintergrund erläuterte: „...und als nächstes, von Elizabeth Gordon entworfen, ein einfaches Kleid aus seegrünem Kord, mit schräg verlaufenden Messingknöpfen.“ Stehenbleiben! Umdrehen! Weitergehen und wieder stehen! Drehen! Lächeln! Lächeln! Lächeln! Wie eine Marionette bewegte sich Penny über den Laufsteg und dann zurück, zurück, zurück in die ersehnte Dunkelheit hinter der Bühne. Kaum hatte sie diese sichere Geborgenheit erreicht, stürzte sie in den nächsten Waschraum, wo sie sich übergab. Ihr war schrecklich elend zumute.
Einige Minuten später fand Liz sie dort. „Ach, Penny! Du Armes! Du hast deine Sache prächtig gemacht. Penny, es tut mir leid...“
„Mir wird schon wieder besser.“ Penny würgte tapfer und hob den Kopf vom Becken hoch. „Paß auf, gleich ist es vorbei. Es sind bloß die Nerven!“
Sie lehnte sich gegen die Wand. Die Knie zitterten ihr noch, aber ihr Gesicht strahlte: „Ich hab’s geschafft!“ freute sie sich. „Ich hab’s wirklich hingekriegt!“
24. KAPITEL
Melanie saß auf ihrem Bett und blätterte in der Modezeitschrift „ Harper’s Bazaar “. Es war Mittwochabend, und sie hatte vor, früh schlafen zu gehen, weil ihr ein ereignisreiches Wochenende bevorstand. Bill Mencken hatte sie für Samstag zu einem Korbballspiel der Staatsuniversität Pennsylvanien eingeladen. Am Abend fand außerdem ein großes Fest der Studentenverbindung statt, der Bill angehörte. Melanie hatte Bill Mencken durch Gregory Wade kennengelernt und Gregory über Tommy Murdoch, der ein Freund von Perry Smith war; Nicky Beecham wiederum hatte ihr Perry Smith vorgestellt. Die Männer sind im Grunde nur Sprungbretter, überlegte Melanie. Einer half ihr immer wieder, den nächsten kennenzulernen, bis dann schließlich irgendwann einmal der daherkam, mit dem sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage leben würde. Zwar wollte sie eine bedeutende Modeschöpferin werden, aber ein
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