Maskerade
gutaussehender junger Mann mit entsprechender Brieftasche — oder doch zumindest der wohlbegründeten Aussicht darauf — würde ihr, ohne allzu große Mühe, ihre Karriere ausreden können. Sie würde bestimmt ebenso gerne das Modell eines andern Modeschöpfers tragen, wenn das Modell nur teuer, elegant und ausschließlich für sie erdacht war.
Sie gähnte und kuschelte sich etwas tiefer in die Kissen hinein. Sie wußte, daß es am vernünftigsten wäre, jetzt das Licht auszuschalten und einzuschlafen, aber es war erst halb neun, und sie gab ungern schon so früh auf. Sie war in letzter Zeit immer spät zu Bett gegangen, und es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer, in der Schule die Augen offenzuhalten. Bill Mencken war dafür bekannt, die Abende immer besonders lange auszudehnen. Aber es lohnte sich mit ihm, dachte sie schläfrig. Er fuhr einen schicken Sportwagen, und sein Vater besaß mehrere Hotels.
Draußen im Flur klingelte das Telefon, und sie lächelte, denn sicher galt es ihr. Jedenfalls war es meistens so. Trotzdem stand sie nicht auf. Es bedeutete ihr eine besondere Genugtuung, wenn man erst mehrmals über den Flur rufen mußte: „Melanie! Telefon für Melanie Prill!“, so daß alle im Heim wußten, wie oft man sie jeden Abend telefonisch zu sprechen verlangte. Das stärkte ihr Selbstvertrauen, denn keine andere Schülerin wurde so oft angerufen, und folglich war keine so begehrt wie sie.
„Melanie!“ Diesmal war es Pennys Stimme. „Melanie, für dich! Ein Ferngespräch!“
Ein Ferngespräch! Wie aufregend! Melanie schlüpfte in ihren Morgenmantel, rief laut, daß sie unterwegs sei, und nahm sich nicht die Zeit, in die Pantöffelchen zu schlüpfen. Barfuß lief sie auf den Flur hinaus.
„Danke dir, Penny“, säuselte sie, bereits schon in Hörweite des Apparats, und dann direkt in die Muschel hinein: „Hallo, hier spricht Melanie!“
„Hallo, Melanie!“ grüßte eine männliche Stimme.
„Und wer ist dort?“ zwitscherte sie in den allerbezauberndsten Tönen.
„Peter!“
„Peter?“ Die Stille, die folgte, zeigte deutlich, wie gründlich sie ihr Gehirn nach irgend jemandem namens Peter durchstöberte.
„Die Verbindung ist sehr schlecht“, rief sie schließlich, um offensichtlich noch etwas Zeit zu gewinnen. „Wie sagten Sie, ist Ihr Name?“
„Peter! Peter van Giesen! Ich spreche von Bridgedale. Können Sie mich jetzt hören?“
„O ja“, rief sie erstaunt, und dann fügte sie neckisch hinzu: „Sind Sie sicher, daß Sie die richtige Teilnehmerin erwischt haben?“
„Ja“, erwiderte er ernst, „ich bin absolut sicher. Hören Sie, ich würde sehr gerne nächstes Wochenende nach Philadelphia kommen und Sie ausführen, wenn Sie frei sind.“
Melanie hätte am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Dies war Peter, Liz’ Peter, und er hatte ein Ferngespräch angemeldet, um sie zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle! Wenn Liz das wüßte, würde sie vor Wut platzen! Sie drehte sich ein wenig, so daß sie in Richtung von Liz’ Zimmertür sprach, die leider, leider geschlossen war.
„Aber Peter“, rief sie mit betont gedämpfter, aber doch im ganzen Stockwerk hörbarer Stimme, „was würde — nun, Sie wissen schon, wer — dazu sagen?“
„Das ist mir im Augenblick unwichtig“, antwortete er steif.
Erregt, geschmeichelt und fasziniert von der Intrige, säuselte sie: „Meine Güte, Peter, Sie bringen mich in eine schreckliche Lage!“
„Haben Sie Samstag etwas vor?“ fragte er auf eine Art, die ihr den Wunsch offen ließ, er möchte sich zumindest ein wenig auf die Kunst des Flirts verstehen. Seine Worte klangen allzu sachlich, aber es konnte ja sein, daß er nicht gewöhnt war, Ferngespräche zu führen.
„Ja, ziemlich viel“, gab sie vorsichtig Auskunft, während ihre Gedanken sich überschlugen. Welch ein Triumph wurde ihr hier zuteil! Peter gehörte ausschließlich Liz. Sie hatte sogar Marc Taussig auf gegeben, um jedes Wochenende mit Peter allein zu sein. Die beiden schienen unzertrennlich. Und nun bat er Melanie um den Samstag! Immerhin wäre es ein zu bescheidener Triumph, wenn sich die Sache nur auf dies Ferngespräch belaufen würde und weiter nichts. Melanies Gedanken rasten zu Bill Mencken , das Korbballspiel und das neue Kleid, das sie für das Fest gekauft hatte. Außerdem würde sie viele interessante Männer kennenlernen und neue Verbindungen anknüpfen, aber konnte sich all das mit der Genugtuung messen, die sie empfand, wenn sie Liz ihren
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